„Juchhe, Schnee!“ mag manch einer gejauchzt haben, bevor im eben erst begonnenen Jahr nicht enden wollende Massen der weißen Himmelsgabe Straßen verstopft, Züge lahmgelegt, Dörfer abgeschnitten und den gesamten Alpenraum  in ein Katastrophengebiet verwandelt haben. Der Winter zeigt sich heuer von einer düsteren Seite. Mit ein bisschen Phantasie lässt sich auch vom kuscheligen Sofa aus nachvollziehen, dass der Schnee, den heutzutage Wintersportler und Naturromantiker gleichermaßen herbeisehnen, in den Jahrhunderten ohne Elektrifizierung und Zentralheizung ein wahres Schreckgespenst war. Von wegen gute alte Zeit…

So war auch der Schneemann, heute niedliches Dekor auf Kindersocken oder Weihnachtspostkarten und beliebter Disney-Held, in seinen Anfangsjahren ein übler Geselle. Erste Abbildungen auf Kalenderblättern des 18. Jahrhunderts zeigen ihn mit grimmiger Miene, stechendem Blick und bedrohlicher Geste – wahrhaft zum Fürchten, wie die damals harte, oft lebensbedrohliche Winterzeit selbst.

Zum Freund der Kinder und Symbol unbeschwerter Winterfreuden wurde der Schneemann erst im 19. Jahrhundert. Aus der finsteren Gestalt entwickelte sich jener kugelige, gemütliche Geselle mit Rübennase, Kohlen- oder Knopfaugen und Kochtopfhut, der uns in schneereichen Wintern auch heute noch allerorten begegnet. Ganz im Sinne biedermeierlicher Familienvorstellungen gehörte er von da an als positiv besetzte Figur zum festen Repertoire von Winterdarstellungen in Kinder- und Hausbüchern. Befördert wurde seine Beliebtheit durch die populäre Druckgraphik des 19. und 20. Jahrhunderts, die Schneemann-Motive zu Weihnachten und Neujahr in die ganze Welt verbreitete. Kein Wunder, dass auch die Werbeindustrie bald das Potenzial des sympathischen Winterboten entdeckte. Weltanschaulich wie religiös unbesetzt lässt sich der Schneemann schließlich für vielerlei Botschaften einsetzen.

Dass das Internet aktuell eine Vielzahl detailreicher Bauanleitungen für Schneemänner bietet – bezeichnenderweise auf Seiten mit Titeln wie „familienleben“, „vaterfreuden“ oder „heimhelden“ – mag den ein oder anderen passionierten Schneemannbauer kränken. Denn ‚learning by doing‘ lautet die Devise. Es ist schließlich noch kein Schneemann-Baumeister vom Himmel gefallen.

Leider ist die Lebensdauer der weißen Gesellen in der Regel auf wenige kalte Tage und Nächte beschränkt. Wer dennoch nicht genug kriegen kann von Schneemännern, der markiere sich den 18. Januar im Kalender: den Welttag des Schneemanns. Und dann „Mein Kind, nun sag mir an, wer ist ein gemachter Mann?“

CLL