Das Bild von genügsam im Gras unter Bäumen scharrenden und gaggernden Hühnern weckt bei vielen eine Art „Bullerbü-Gefühl“. Kinder kannten jedoch über Jahre hinweg freilaufende Hühner und einen krähenden Hahn nur noch aus den Freilichtmuseen oder Bilderbüchern. Jetzt ist das Gackern und Glucksen vermehrt auch in Wohngebieten zu hören. Hühnerzüchter vermelden seit einigen Jahren steigende Nachfrage von Hobby-Hühnerhaltern.
Gartencenter, Baumärkte und Zoohandlungen haben bereits auf den Trend reagiert: „Happy Home“, „Cocoon“, „Palace“, „Holiday“, „Ambiance“ und “Cottage” heißen beispielsweise die Hühnerställe, die in den Online-Shops und den Regalen der Garten-Supermärkte stehen; das dazugehörige Futter „Snack Garden Mix“, „Kräuterkraft“, „Geflügelglück“ oder „Glückslegemehl“. Unzählige Bücher über Hühnerhaltung sind seit 2018 erschienen. Hunderte von youtube-Filmen über Hühnerhaltung sowie „Happy-Huhn“-Merchandising-Artikel wie Kalender und Tagebücher kommen dazu. Also viel Glück und Freude, die uns die Hühner beziehungsweise die Händler und Verlage vermitteln.
Studien, die belegen, wie schlau Hühner sind, finden ebenfalls vermehrt den Weg in die Öffentlichkeit. Hühner können beispielsweise große und kleine Mengen voneinander unterscheiden und der Größe nach ordnen. Laut der US-Biologin Lori Marino können Hühner auch bestimmte logische Schlüsse ziehen, zu denen Menschen erst im Alter von sieben Jahren fähig sind. Hühner haben zudem individuelle Charakterzüge. Jeder Hobby-Hühnerhalter wird dies bejahen können.
Den Trend zum Huhn im eigenen Garten hat nach Ansicht des Verbandes Bayerischer Rassegeflügelzüchter vor allem der Lebensmittelskandal um belastete Eier ausgelöst. Hört man sich bei Hobby-Hühnerhaltern um, ist ebenfalls eines der Hauptargumente: Die Versorgung mit eigenen Eiern.
Rund 210 Hühnereier verzehrt ein Deutscher übrigens durchschnittlich pro Jahr. Bei den Hobby-Hühnerhaltern sind daher die unkomplizierten und robusten Hühnerrassen mit guter Legeleistung und wenig Brutneigung beliebt. Legehühner, die für die Gartenhaltung geeignet sind, liefern durchschnittlich etwa 180 bis 220 Eier im Jahr, manche Rassen sogar 300 Eier im Jahr. Rund 200 verschiedene Hühnerrassen gibt es in Deutschland. Unterschieden wird vor allem zwischen Lege-, Mast- und Zierhühnern.
Ein weiterer Ansatz ist die Erhaltungszucht gefährdeter Hühnerrassen. Dazu zählt beispielsweise die einzige bayerische Hühnerrasse: das Augsburger Huhn. Nach Angaben der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen ist die Rasse „extrem gefährdet“. Der Bestand wird auf wenige hundert Tiere geschätzt. Bis in die 1960er Jahre war das Augsburger Huhn in Süddeutschland sehr beliebt und weit verbreitet. Mit dem Aufkommen der Hochleistungsrassen veränderte sich die Lage rasant: Das Augsburger Huhn hat zwar mit durchschnittlich 150 bis 180 pro Jahr eine gute Legeleistung. Mit den Hochleistungshühnern in der industriellen Landwirtschaft kann es jedoch nicht mithalten; auch nicht mit den konventionellen Masthähnchen der Landwirtschaftsindustrie. Die wenigen Landwirte, die das Augsburger Huhn nach Slow-Food-Kriterien züchten, halten diese artgerecht und extensiv mit Freilandauslauf in angemessen großen Ställen.
Für die Hobby-Hühnerhaltung im eigenen kleinen Garten sind die Augsburger jedoch derzeit nicht zu haben. Denn: „Einzelne Hühner ohne Hahn zur Hobbyhaltung können momentan nicht abgegeben werden, da diese keinen Beitrag zum Erhalt der Rasse leistet und die Anzahl der Tiere zu gering ist“, so der „Sonderverein der Züchter des Augsburger Huhnes und der Zwerg-Augsburger“. Aber: „Für das Augsburger Huhn wäre es sehr wichtig, wenn ein interessierter und engagierter Landwirt es wieder als Nutztier entdeckt und vielleicht einen kleinen Bestand aufbauen und vermarkten will.“
KS