Heute kennen wir den Sandmann nur noch als kleines, lustiges, rührendes Märchenonkel-Männlein aus dem Fernsehen. Daran ist Hans Christian Andersen schuld. In seinem Märchen besucht der Sandmann Ole Augenschließer ganz leise und sachte auf Söckchen die Kinderzimmer und bringt braven Kindern herrliche Träume.
So gar nicht traumhaft war der Beruf des Sandmanns. Heute ist er, dank Andersen und der chemischen Reinigungsindustrie vergessen. Früher, als es noch keine Scheuermittel gab und Wasser zu kostbar war um damit den Boden zu putzen, da putzte und scheuerte man mit Sand. Überall wo es schmutzig war, hat man einfach so lange mit Sand herumgerubbelt, bis es sauber war. Selbst das Scheuermittel ATA, das es vor genau 100 Jahren zum ersten Mal zu kaufen gab, bestand eigentlich nur aus Sand und Soda. Bis dahin mussten die Menschen sich mit Sand begnügen. Allein in Stuttgart verbrauchten scheuerwütige Menschen im Jahr 1860 drei Millionen Kilo Sand.
Aber wo kam dieser viele Sand her? Es gab Männer, Frauen und Kinder, die überall, wo es nur ging, Löcher gruben und Sand mitnahmen. Dann musste der Sand gehackt, gesiebt, gereinigt und gemahlen werden, bis er ganz fein und weiß war. Die Hände waren rot, die Augen brannten, bald war die Lunge voller Sand. Aber was blieb den Menschen übrig? Von irgendetwas mussten sie ja leben. Mit dem Sand im Gepäck zogen sie dann durch die Dörfer und Städte und riefen:
„Sand, Sand, Sand, Scheuer, weißer stummer Sand. Ham de Kinder in de Stuben gschissn, wird ne handvoll druff geschmissen. Sand, Sand, Sand.“
Im Lauf des 20. Jahrhunderts hat dann die chemische Reinigungsindustrie den Sandmännern die Arbeit abgenommen. Heute erinnert nur noch das eingängige Kinderlied „Der Sandmann ist da“ an den furchtbaren Beruf des Sandmanns. Das Thema des Liedchens ist nämlich nicht das süße, knuddelige, kleine Sandmännchen aus dem Kinderkanal sondern die aufreibende Arbeit der Sandmänner.
Christoph Goldstein
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