Nicht alle, die seit März 2020 eine 155 Cent-Marke auf einen Brief kleben, wissen, dass sie damit nicht nur symbolisch das „Grüne Band“ von 1.400 km Länge in der Hand halten, sondern auch ein prägnantes Luftbild. Es stammt aus der Kamera eines der bedeutendsten deutschen Luftbildarchäologen: und zwar Klaus Leidorf. Klaus Leidorf wohnt in Buch am Erlbach in Niederbayern und fotografiert seit 1989 freiberuflich archäologische Bodendenkmäler im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für die Bodendenkmalpflege.
Der Boden, die Erde auf der wir stehen, das ist das kollektive Gedächtnis der Welt. Alles was je auf dieser Welt gebaut wurde, hinterlässt Spuren. Und der Boden speichert sie. Wie eine große Festplatte. Nur in luftigen Höhen sieht man, welche Schätze da eigentlich im Boden verborgen sind. Als Spaziergänger wäre man an ihnen achtlos vorbeigegangen. Im Sommer zum Beispiel, wenn das Getreide wächst, dann sieht man längst vergessene Mauern, Gräben und Straßen besonders gut. Warum? An der Stelle, an der der Rest einer uralten Mauer in der Erde schlummert, kommt das Getreide nicht so gut an feuchte Bodenschichten in der Tiefe. Es wächst nicht richtig. Ist dann das Feld von feinen Linien durchzogen, die ein Quadrat bilden, stand dort einst eine Viereckschanze oder ein Römerlager. Und das sieht man nur aus der Luft.
Luftbildarchäologen wie Donatus Moosauer in den 1970er und 1980er Jahren oder heute Klaus Leidorf jagen den Spuren einer längst vergangenen Zeit nach. Sie sind Zeitreisende; aber nicht nur das: Sie halten uns einen Spiegel vor. Sie zeigen uns auch, was wir heute mit unserem Boden machen, wie wir ihn quälen (Gäuboden), verschwenden (Logistikhallen und Neubaugebiete) und zerstören (noch mehr Autobahnen) – Sterbebilder einst so vertrauter Kulturlandschaften.
Klaus Leidorf hat seit über 30 Jahren immer und immer wieder neue Bodendenkmäler entdeckt und dank moderner Technik exakt vermessen. Als Einhandflieger ist der ausgebildete Wissenschaftler gleichzeitig Pilot, Navigator, Beobachter und Fotograf. Im Extremfall ist er bis zu 12 Stunden ohne Zwischenstopp in der Luft – bevor er wieder in Ellermühle, seinem Heimatflugplatz, bei Sonnenuntergang landet.
Das Archiv von Klaus Leidorf ist voll von der Schönheit der Natur aber auch voll von fatalen Fußabdrücken unserer Zeit. Das von ihm zwischen 1996 und 2008 dokumentierte „Grüne Band“ ist dabei ein Glücksfall für den deutschen Natur- und Artenschutz, das u.a. auch dank der Überzeugungskraft der Luftbilder 2019 als Nationales Naturmonument ausgewiesen wurde.
Wer in die faszinierende Welt der Luftbildarchäologie näher eintauchen will, kann unter www.leidorf.de oder www.leidorf-aerial.com dank der professionellen Schlagwort-Archivierung erhellende Stunden und Tage verbringen.
Helmut Wartner
Foto: Klaus Leidorf