Auch wenn wir die ersten Bikini-tragenden Frauen von antiken Mosaiken her kennen, so war der Aufschrei groß als vor 75 Jahren der Maschinenbauingenieur Louis Réard seinen Bikini der Öffentlichkeit vorstellte. Vier Dreiecke, zusammengehalten von dünnen Schnüren, widersprachen einer konservativ, bürgerlichen Moralvorstellung, die den Körper der Frau in der Öffentlichkeit tabuisierte. Weil sich professionelle Models weigerten ein solch freizügiges Kleidungsstück zu tragen, wählte Réard Micheline Bernardini, eine hauptberufliche Nackttänzerin im Casino de Paris. Sie präsentierte am 5. Juli 1946 den ersten Bikini, dessen Aufdruck eine Collage aus verschiedenen Zeitungsausschnitten bildete, bei einer Misswahl. Der zweiteilige Badeanzug war dermaßen skandalös, dass sich dessen Erfindung innerhalb kürzester Zeit weltweit verbreitete.
Trotz seiner Sprengkraft hatte der Bikini – benannt nach dem Ort, an dem die USA den ersten Atomtest nach dem Zweiten Weltkrieg durchführen ließ – Startschwierigkeiten im Verkauf. Er wurde in vielen Badeorten verboten; in den USA sogar bei Schönheitswettbewerben und in Hollywoodfilmen.
Der Bikini blieb tabu. Gerade deswegen wurde er in den 1960er Jahren ein Symbol der Emanzipationsbewegung. Wie der Minirock war er ein provokantes Mittel beim Kampf der Frauen um ihr Recht auf Selbstbestimmung. Nach und nach fielen die Verbote. Der Preis für den zweiteiligen Badeanzug wurde erschwinglich und die Modeindustrie schafft freizügige und ausgefallene Modelle, um den Kampf der Frauen symbolisch zu unterstützen. Und trotzdem konnten Trägerinnen des Bikinis etwa in Deutschland von der Justiz bestraft werden. So etwa das 17-jährige Fotomodell Ilonka, die 1965 im Bikini über den Münchner Viktualienmarkt lief. Zur Strafe musste sie an drei Wochenenden die Fußböden in Altenheimen putzen. Auch dieser „Skandal“ konnte den Siegeszug des Bikinis ebenso wenig aufhalten wie die Bestimmung eines Passauer Schwimmbads, dessen Paragraph 7. Absatz 3 bis 1971 folgende Bestimmung enthielt: „Das Tragen der so genannten Bikini-Anzüge ist verboten.“
Der „Zahnseiden-Tanga“ oder Rio-Bikini und die Oben-Ohne-Welle, bei der vor allem Häkel-Bikinis beliebt waren, sind als größere Aufreger der 1970er Jahre zu verstehen. Die folgenden Jahre und Jahrzehnte brachten keine Bikini-Revolution, aber mehr (Neon-)Farbe, andere Stoffe, verschiedene Schnitte, die unterschiedlich viel Haut bedeckten. Monokini, Trikini und andere floppten. Neben sonnendurchlässigen Stoffen bietet die Bademode für die Sonnenanbeterinnen auch sog. Tan-Timer, bei der ein Piepston signalisiert, dass sich die Trägerin nach 15 Minuten umdrehen sollte, damit sie gleichmäßig gebräunt wird. Mit Blick auf das vergangene Jahrhundert, als Frauen noch mit vorgeschriebenen Beinlängen und Ausschnittgrößen oder Wollstrümpfen baden gehen durften, ein wahrer Fortschritt. Das einst als schamlos empfundene Kleidungsstück ist heute sehenswerter Bestandteil von Badekultur.
Cindy Drexl