Der Wind pfeift. Es ist kalt. Über Stock und Stein geht es dahin. Und wenn man nicht genau aufpasst, dann sieht man sie gar nicht, diese schaurige, feuchtdunkle Höhle im schroffen Fels, im tiefgrüngrauen Wald. In dieser Höhle, nicht weit vom Kaitersberg, hat der Räuber Heigl gehaust; im Nichts zwischen Arnbruck und Kötzing. Über 150 Jahre ist das her. Oft hat er mit der Obrigkeit einen rechten Schabernack getrieben und die Gendarmen nur so an der Nase herumgeführt. Und weil er, so sagt man, nur die reichen Bauern und Pfarrer ausgeraubt hat und mit den Ärmsten der Armen seine Beute geteilt hat, die ihn dafür oft geschützt und versteckt haben, war er für die Leute ein richtiger Robin Hood, ein Volksheld. Freilich, man hat ihm auch viel angedichtet. Immer, wenn irgendwas zwischen Arber, Lusen und Brotjackl passiert ist, dann hat es geheißen: „Ja, des is der Heigl gwen!“
Aber welcher Mensch steckt hinter dem Räuber Heigl? Geboren wurde er 1816 als Michael Heigl. Es war eine harte Zeit damals. Die Allermeisten mussten sich irgendwie durchschlagen. So einer war Michael Heigl, ein Mensch ohne Hoffnung. Erst hat er es als Knecht versucht, dann als Schlossergeselle, dann als Hausierer. Weil er einfach so von Haus zu Haus gezogen ist, ohne Erlaubnis, wird er verhaftet. Direkt aus dem Gerichtssaal flieht er in den Wald. Von da an wird er der Schrecken der reichen Bauern, immer auf der Hut, immer auf der Flucht. Aber wie die Gendarmen es auch anstellen, immer geht er ihnen durch die Lappen.
Die meisten seiner Raubzüge unternimmt er zusammen mit seiner Geliebten und Gefährtin Therese Pritzl, der Roten Res. Eines Nachts im Juni 1853 werden die beiden gesehen. Ein Bauer verrät sie an die Gendarmen. Schließlich winken 200 Gulden Belohnung, heute etwa 2000€. Alle machen sich auf den Weg. Sie wollen schon murrend heimkehren, da entdecken sie eine tief im Dickicht verborgene Felshöhle. Aber der Räuber und seine Geliebte fliehen. Schließlich ist es eine echte Räuberhöhle. Und jede echte Räuberhöhle hat einen Notausgang. Aber es hilft nichts, der ganze Berg ist umstellt und am Ende müssen sich die beiden ergeben. Sie werden in Eisen gelegt und nach Straubing gebracht. Dort findet ein Jahr später der Prozess statt. Von weit und fern aus dem ganzen Bayerischen Wald strömen die Menschen herbei um sagen zu können, sie waren dabei, wie sie den Räuber Heigl zum Tode verurteilt haben. Seine Geliebte, die rote Res, verurteilt der Richter zu zehn Monaten Zwangsarbeit. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. König Max II gibt Heigls Gnadengesuch statt. Heigl muss lebenslang ins Gefängnis. Dort wird er wegen guter Führung und seinem vorbildlichen Verhalten Aufpasser. Und das wird sein Verhängnis. Eines Tages erschlagen ihn zwei Häftlinge hinterrücks.
Noch heute wohnen Nachfahren des Räubers rund um den Kaitersberg. Seine Kinder hat Heigl, kaum waren sie geboren, in die Obhut von Bauern unweit seines Unterschlupfs gegeben. Wer will kann jederzeit auf Heigls Spuren wandern. Ein steiler, ausgeschilderter Wanderweg führt über die Höhle hinauf zum Kaitersberg. Und eins ist gewiss: Der Räuber war fit. Sehr fit! Denn man kommt ins Schwitzen, wenn man sich auf den Weg zu seiner Höhle hinaufwagt.
Christoph Goldstein
Foto: Ludwig Jilek (herzlichen Dank an den Kur- und Gästeservice Bad Kötzting!)