„Bereits ein einzelner Baum ist oft sehr viel älter, als ein Mensch je werden kann, der Wald als solcher aber ist um Dimensionen älter als der Mensch. Wälder grenzen sich von ihrer Umgebung relativ klar ab. Sie bestehen aus einer schier unübersehbaren Vielfalt von Lebewesen, wobei die Bäume als die größten und ältesten Lebewesen der Welt nur optisch dominieren.“ Dies schreibt der Soziologe und Erziehungswissenschaftler Fritz Reheis in seinem aktuellen Buch „Erhalten und Erneuern“. Es ist gar nicht so leicht, zu definieren, was ein Wald ist. Doch plantagenartige Monokulturen mit Fichten, Eukalyptus oder Ölpalmen sind sicher das Gegenteil eines komplexen, artenreichen Ökosystems. Heutzutage steht der Wald vor zahlreichen Herausforderungen und Ansprüchen: Er soll Holz als Bau- und Brennstoff liefern, das Klima stabilisieren, das Niederschlagswasser speichern und zurückhalten. Und zu unserer Erholung dienen – und das möglichst nachhaltig.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit begründete der Forstmann Carl von Carlowitz im 18. Jahrhundert, weil er forderte, dass nur so viele Bäume gefällt werden sollten, wie wieder nachwachsen. Doch was haben wir die letzten drei Jahrhunderte gemacht? Wir roden immer noch die letzten Regenwälder zugunsten von Soja und Ölpalmen, pflanzen wider besseres Wissen Baummonokulturen, missbrauchen die Wälder als Müllkippen. Und wenn es darum geht, letzte Reservate als Wildnis zu schützen, gibt es oft vehemente Widerstände. Denn am Ende geht es immer um Profitmaximierung zulasten der Natur. In Niederbayern zeigt die Diskussion um den Borkenkäfer im Bayerischen Wald exemplarisch das verloren gegangene Verständnis dafür, dass sich die Naturgesetze nicht ohne Folgen einseitig zu unserem kurzfristigen Nutzen ignorieren lassen. Und der Wandel des Klimas zeigt in unseren Wirtschaftswäldern auf, dass sich viele der dort zur wirtschaftlichen Nutzung angebaute Baumarten wie z. B. die Fichte bald verabschieden werden, weil es ihr als Flachwurzlerin zu trocken ist.
Waldumbau ist jetzt in aller Munde, Zukunftsbäume werden hängeringend gesucht, die widerstandsfähiger oder resilienter gegen die sich häufenden Extremwetterereignisse sind. Der Nationalpark Bayerischer Wald ist seit Jahrzehnten auch ein Forschungslabor für Experten, die dort studieren, wie sich die Natur ohne Zutun des Menschen nach Katastrophen wie einem flächigen Borkenkäferbefall selber hilft. Das erfordert Zeit und Geduld – beides Eigenschaften, die der moderne Mensch verlernt hat, der dem Grundsatz von „schneller, höher, weiter“ nachjagt. Doch es gibt ermutigende Versuche wie die „Baumpflanzprojekte“ (TTP) auf deren Website zu lesen ist: „Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer können mit einem stabilen Mischwald Klimaschäden oder Preisschwankungen auf dem Holzmarkt besser abpuffern und durch dies Risikostreuung rentabler handeln.“ Dazu pflanzen die Initiatoren zusammen mit freiwilligen Helferinnen und Helfern sog. Nelderräder in Kreisform. Die klimatoleranten Baumarten unterstützen sich dabei gegenseitig im Wachstum, weil sie zu jeder Tages- und Jahreszeit gleichviel Licht bekommen. Das übersichtliche Schema erleichtert in den Folgejahren die Anwuchspflege mit der Entfernung des unerwünschten Wildwuchses. Außerdem hilft ein Einzelstammschutz aus verrottbaren Holzkrausen gegen den Wildverbiss. Denn auch der Grundsatz „Wald vor Wild“ ist noch lange nicht flächendeckend umgesetzt. Deshalb ist die eigentlich erwünschte kostengünstigere Naturverjüngung oft ohne teure Schutzmaßnahmen nicht überall umsetzbar.
Wer noch tiefer in das Zusammenspiel von Wäldern und Kunst einsteigen will, dem sei die Ausstellung „Wälder – von der Romantik in die Zukunft“ empfohlen, die bis 11. August im Deutschen Romantik-Museum in Frankfurt läuft. Der dazugehörige Katalog kostet 12 €.
Helmut Wartner
Foto: https://pixabay.com/de/photos/wald-natur-b%C3%A4ume-drau%C3%9Fen-wildnis-6926059/
Weitere Informationen:
https://waldbaden-niederbayern.de/
https://treeplantingprojects.com/
https://deutsches-romantik-museum.de/ausstellungen/-/waelder-von-der-romantik-in-die-zukunft/1346