Monsterartige Ungetüme starren dem Betrachter ins Auge, mit Augen, die faszinieren und zugleich ein leichtes Gruseln erzeugen. Seltsame Kugelgebilde wachsen da aus dem Boden, die an Aliens und fremde Welten erinnern. Was hier auf großformatigen Fotos höchst eindrucksvoll in Szene gesetzt wird, sind in Wirklichkeit Insekten und Pflanzen, die im Nationalpark Bayerischer Wald leben. Und diese „Fabelwesen“ erweisen sich in Wirklichkeit als nur wenige Millimeter groß, mit bloßem Auge kaum zu erkennen, extrem schwer wahrnehmbar, quasi unsichtbar. Verborgene Welten also. Und genau diese will der junge Fotograf Lukas Haselberger mit seinen Makrofotografien sichtbar machen. Dies gelingt ihm meisterhaft.
In seinen Ultra-Nahaufnahmen bringt er die verborgene Ästhetik von Mini-Insekten, Pilzen und Pflanzen zum Ausdruck. Das Ergebnis fasziniert: Die zarten Glieder der Pflanzen und Pilze, die schillernden Farben der Käfer, die an kleine Radarkuppeln erinnernden Augen der Insekten bringen den Betrachter zum Staunen. Der Fotograf, der so etwas sichtbar machen kann, ist ein Künstler. Und ein geduldiger und akribisch vorgehender „Handwerker“. Denn es ist extrem schwierig und aufwändig, solche detaillierten und gestochen scharfen Bilder zustande zu bringen.
Bei Objekten, die sich ruhig verhalten, wählt Lukas Haselberger manchmal hundert Einstellungen und mehr. Auf einem „Schlitten“ führt er die Fotolinse Millimeter für Millimeter an das zu fotografierende Objekt heran, stellt scharf und fotografiert. Auf diese Weise gelingt es ihm, dass von jedem Bestandteil des Objektes zumindest jeweils ein extrem scharfes Foto gemacht wird. Mit einer sehr speziellen Software werden dann die hundert Fotos quasi übereinandergelegt und zu einem Foto zusammengefügt. Dieses zeigt dann das fotografierte Objekt in unglaublicher Schärfe und Genauigkeit.
Um seine Objekte aufzuspüren, begibt sich der Fotograf in der Nähe seines Heimatortes Finsterau im Nationalpark Bayerischer Wald auf die Pirsch. Dabei bedarf es eines geschulten Auges. Springspinnen erkennt Lukas Haselberger beispielsweise an ihrem besonderen Bewegungsmuster. Sie sind neugierig und hüpfen gelegentlich direkt auf seine Kamera zu. Solche bewegungsaktiven „Hüpfer“ dann aus nächster Nähe zu fotografieren, sei dann noch einmal eine spezielle Herausforderung, meint der Fotograf.
Lukas Haselberger beschränkt sich aber nicht darauf, „schöne“ und beeindruckende Fotos zu produzieren. Er will, ganz im Geiste Adalbert Stifters, das Große im Kleinen sichtbar machen. Der Betrachter der Bilder soll sensibilisiert werden für die „andere Welt innerhalb unserer Welt“. Denn Insekten spürt der Menschen häufig erst dann, wenn sie ihn stören. Ihren Eigenwert und ihren Nutzen für das Ökosystem übersieht man leicht. Die Fotos verleihen den dargestellten Objekten hingegen durch ihre schiere Größe und ihre verblüffende Ästhetik einen völlig neuen Stellenwert.
Die Fotos des 27-jährigen Fotografen wurden nun in dem prächtigen Bildband „Verborgene Welten der Nationalparke Bayerischer Wald und Sumava“ (Verlag Edition Lichtland) veröffentlicht. Das Buchprojekt wird unterstützt vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond in Prag. Für Lukas Haselberger ist dies bereits sein zweites Buch. Seinen Master an der Technischen Hochschule Deggendorf hatte er mit dem Buch „Zwischen Holz und Stein – Das Leben an der bayerisch-böhmischen Grenze“ abgeschlossen. Lukas Haselberger wurde 2023 mit dem Förderpreis des Landkreises Freyung-Grafenau ausgezeichnet. In seiner Laudatio zur Preisverleihung umriss Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Reimeier die Person und das Wirken des Lukas Haselberger mit folgenden Worten: „Ein Fotograf, Makrofotograf und Spurensucher voller Tatendrang und Visionen. Fasziniert von der Schönheit des Sichtbaren und der Ästhetik des Unsichtbaren in der Natur.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Lukas Haselberger, Verborgene Welten der Nationalparke Bayerischer Wald und Sumava, Verlag Edition Lichtland, Freyung, 2024. 36,90 Euro
Gerhard Ruhland
Fotos: Lukas Haselberger