Vor über 1000 Jahren war der Bayerische Wald eine gefährliche Wildnis. Von Skifahrern oder Wanderern keine Spur; und Bundesstraßen gab es erst recht nicht. Die älteste Möglichkeit den Bayerischen Wald zu überqueren war die „Via Prachatitz“. Über 800 Jahre war dieser schmale und gefährliche Weg die wichtigste Handelsroute, die Bayern mit Böhmen verband. „Goldenen Steig“ nannte man diesen Weg erst, als sich die Säumer vor allem mit dem Salz, das sie nach Böhmen transportierten, eine goldene Nase verdienten. Die Waldbauern ließen den Pflug in der Scheune, beluden ihre Pferde in Passau mit Salz und anderen Kostbarkeiten, schlossen sich zu Saumzügen zusammen und machten sich auf den Weg nach Prachatitz (heute Prachatice) in Böhmen. Nach und nach entstanden die Orte Röhrnbach (11. Jh.), Waldkirchen (12. Jh.) und Fürholz (13. Jh.). Dort übernachteten die Säumer in den unzähligen Herbergen, tranken Bier in den Wirtshäusern, die wie Pilze aus dem Boden schossen, und ließen ihre Pferde verschnaufen. Um 1500 überquerten so pro Woche weit mehr als 1000 Pferde den Bayerischen Wald, die mehr als 3 Millionen Liter Salz transportierten.

300 Jahre lang war das Dörfchen Fürholz der letzte Mautort auf der bayerischen Seite. Das sagt ja schon der Name: „Fürholz“ bedeutet nichts anderes als „vor dem Holz“. Von dort ging es dann in die gefährliche, unbewohnte Wildnis. Die Säumer, die Maut und Zoll scheuten, schmuggelten ihre Waren auf verbotenen Schleichwegen. Es kam immer öfter zu Streitigkeiten und so wurden Steigwächter eingesetzt, die sich um die Schmuggler kümmerten. Zudem beschützten sie die Säumer vor Räubern, die bis an die Zähne bewaffnet im Wald lauerten.

Trotzdem war das Säumen so beliebt, dass bald strenge Regeln aufgestellt werden mussten: man durfte nicht mit mehr als vier Pferden gleichzeitig unterwegs sein und das nur einmal die Woche. Außerdem war es nur verheirateten Männern, die eine Familie zu versorgen hatten, erlaubt zu säumen. All diese Regeln mussten aufgestellt werden, weil die Bauern sich vor lauter säumen nicht mehr um ihre Äcker gekümmert hätten, die viel weniger abwarfen als der Handel.

1526 fiel Böhmen an die Habsburger. Die Habsburger schraubten die Einfuhrzölle hoch. Sie wollten ihr eigenes Salz über die Route Linz-Budweis verkaufen. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde der Goldene Steig teilweise zerstört. 1706 war es endgültig vorbei. Die Habsburger stellten einfach ein Verbot auf: Nicht eine Prise Salz durfte mehr über den Goldenen Steig nach Böhmen eingeführt werden.

Heute führen die Arme des Goldenen Steigs als Bundesstraßen 11 und 12 nach Tschechien. Andere Abzweigungen sind Wanderwege geworden. Und jedes Jahr im Juli findet das bayerisch-böhmische Säumerfest statt: Dabei stellen Bayern und Tschechen in originalgetreuen Kostümen gemeinsam unter anderem die Reise eines Saumzugs von Grainet (bei Fürholz) bis Prachatice nach und erinnern so an die jahrhundertealte kulturelle und wirtschaftliche Verbundenheit zwischen Bayern und Böhmen.

Christoph Goldstein