Bienen sammeln Honig, Fußballfans sammeln Panini-Bilder, unkritische Verbraucher Payback-Punkte und Oma Frieda sammelt Kaffeekannen, Puppen und Teddybären. Und was sammeln Sie?

Zu Beginn der Menschheitsgeschichte folgten Sammler einem Urinstinkt. Lange bevor unsere Vorfahren sich zu sesshaften Gesellschaften zusammenschlossen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben, sicherte das Sammeln von Früchten und Samen – zusätzlich zum oft launischen Jagdglück – den überlebensnotwendigen Nahrungsbedarf. Heute ist der Lebenserhaltungstrieb einer menschlichen Laune gewichen, die in einem breiten Spektrum von der Liebhaberei bis zur pathologischen Sammelwut auftritt. Das Sammeln ist zu einer ideellen Beschäftigung geworden, zur systematischen Suche, Beschaffung und Aufbewahrung von Dingen oder Informationen. Gejagt wird immer noch ausdauernd: nach fehlenden Einzelstücken zur Ergänzung des eigenen Sortiments.

Zum privaten Sammelsurium kommt das institutionalisierte Sammeln, das im Anlegen eines Fundus in Museen, Bibliotheken und Archiven besteht. Die Idee dazu fußt in den Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock. Raritäten und Kuriositäten repräsentierten Kunstsinn und Vermögen der Fürsten und ließen ihre Gäste bewundernd und staunend in die Hände klatschen. Ob exotische Tierpräparate, feine Goldschmiedearbeiten und chirurgische Instrumente oder automatische Spieluhren und seltene Kristalle – allein der dafür verwendete Begriff des „Panoptikums“ zeigt, dass hier der Vielfalt und Phantasie kaum Grenzen gesetzt waren. Erst der vernunftbetonte Blick der Aufklärung begann die Dinge neu zu ordnen. Nun folgte der Sammeltrieb weniger der Leidenschaft für Kurioses als vielmehr naturwissenschaftlichem Erkenntnisstreben. Genaues Betrachten führte zu rationalem Begreifen. So gewonnene naturkundliche Erkenntnisse legten den Grundstein für wissenschaftliche Forschungen und späteren technischen Fortschritt.
Im 19. Jahrhundert lösten Museen mit mehr oder minder ausgefeilten Sammlungskonzepten die Kunst- und Wunderkammern als Lern- und Bildungsorte ab, wie die Gründungen des Germanischen Nationalmuseums 1853 und des Bayerischen Nationalmuseums 1855 zeigen. Das Sammeln erhält einen öffentlichen, gemeinnützigen Rahmen.

Allein die Sammlung macht noch kein Museum! Während Museen ihrem Selbstverständnis nach nicht nur sammeln, dokumentieren und konservieren, sondern auch für Wissensvermittlung und Forschung zuständig sind, folgt das private Sammeln seinen eigenen Regeln – und feiert dabei fröhliche Urständ‘! Einschlägige Internetforen verzeichnen bis zu 600 Sammlungsgebieten von Abenteuerroman und Adventskalender bis Zuckertütchen und Zündholzschachtel. Zwar wird Sammeln meist individuell betrieben. Vernetzt über Onlineforen, Sammlerbörsen und -zeitschriften sind Sammler aber auch als kollektives Phänomen wahrzunehmen. Für Kulturwissenschaften, Museologen und Psychologen sind sie damit selbst zum spannenden Studienobjekt geworden.

CLL