Heimat ist für die Menschen in mehrfacher Hinsicht wichtig. Sie besitzt soziale, geographische, kulturelle, wirtschaftliche und politische Bedeutung. Seit einigen Jahren hat Heimat eine Renaissance erfahren. Doch das war nicht immer so.

Im Nachkriegsdeutschland war das Thema belastet. Der Grund ist in der deutschen Geschichte zu finden. Die Machthaber des Dritten Reichs missbrauchten den Heimatbegriff im Sinne ihrer Blut-und-Boden-Ideologie. Aus seiner territorialen Deutung sprach jener Revanchismus, der in einen Krieg mit verheerenden Ausmaßen mündete. Kulturpolitisch erhielt das Wort Heimat seine chauvinistische Aufladung. Sie gipfelte in einer nationalistischen Kultur- und Volkstumspflege mit der Überhöhung des „Arteigenen“, des „Bodenständigen“ einerseits und aggressiven Abwertung des „Fremden“, des  „Internationalen“ andererseits. Dies alles wirkte nach. Der Begriff Heimat war für lange Zeit negativ besetzt.

Die nationale und internationale wissenschaftliche Analyse – die historische wie kulturelle – beanspruchte Jahrzehnte zur Aufarbeitung des Ballasts.

Landesweite, regionale und lokale heimatpflegerische Aktivitäten, wie etwa die Trachten- oder Volksmusikpflege, hatten erhebliche Mühe, die Hinterlassenschaften und den Zungenschlag brauner Volkstumspolitik zu neutralisieren. Die Literatur begegnete dem Problem auf unterschiedliche Weise: Während vor allem Dialektlyriker ab den 1970er-Jahren offensiv neue Töne anschlugen und Heimat kritisch in den Blick nahmen, schrieben sich Mundartdichter in nostalgischen Reimereien über die jüngere Vergangenheit hinweg. Der kulturelle Wandel bahnte sich dennoch seinen Weg, weiland die heimatpflegerischen Flügel darüber stritten. In den Neunzigern musste sich die kulturpessimistische Volksmusikpflege unfreiwillig von stilistischen Entwicklungen wie „Tradimix“ und der Neuen Volksmusik überrollen lassen. Sie waren die Vorreiter für den „Heimatsound“ des jungen Jahrtausends. Etwa zeitgleich entdeckte die bayerische Jugend Dirndl und Lederhose als Volkfest- und Party-Outfit, manches Wirtshaus wurde wie schon Jahrzehnte zuvor auf Heustadel getrimmt. Medien und Politik stilisieren solche Trends gern zum neuen Heimatgefühl. Aber als Reaktion auf die Globalisierung zeigt die Hinwendung zur Heimat durchaus bedeutendere Facetten, z. B. die neue Wertschätzung des Regionalen in Form von regionaler Nahrungsmittelproduktion, Direktvermarktung  und einheimischen Handwerkserzeugnissen. Übrigens, schon lange vor den Heimatvergnügungen und Versatzheimaten brachte sich eine politisch unbequeme Art der Heimatverbundenheit ein: Das bürgerschaftliche Engagement und der Protest, wo Großbauprojekte und Flächenfraß heimatliche Kulturlandschaften zu beeinträchtigen drohen. Das erkämpfte oberpfälzische Wackersdorf ohne Wiederaufbereitungsanlage ebenso wie der erstrittene niederbayerische Donauabschnitt ohne Staustufen haben der Landespolitik die Stärke eines substantielleren Heimatverständnisses aufgezeigt.

Im Kontext der Flüchtlingskrise und Migrationsbewegungen ist Heimat abermals als brisantes Thema hochgekocht – auf nationalem wie internationalem Parkett und aus Perspektiven, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Dem Verlust von Heimat auf der einen Seite steht die Sorge um Heimat auf der anderen gegenüber. Heimat bleibt also eine ständige Herausforderung – erst recht in bewegten Zeiten, welche die Menschen beunruhigen. Freilich geht Heimat zuerst jede/n selbst an – vor Ort. Doch gehen viele Menschen nicht zuletzt auch deshalb wählen, weil sie sich bei den großen Fragen und Problemen allemal Antworten und Lösungskonzepte von ihren politischen Repräsentanten erwarten. Dabei sollte man aus der Geschichte gelernt haben, welche Ideologien ehedem ins Verderben führten.

MS