An Christkindlmärkten mangelt es in Bayern nicht, und die städtischen Tourismusbüros überbieten sich dabei, deren Superlative anzupreisen: Der Nürnberger Christkindlesmarkt ist der berühmteste, die Lindauer Hafenweihnacht wird als einzigartig bezeichnet und der Augsburger Christkindlesmarkt vor dem Renaissance-Rathaus beansprucht Einmaligkeit. Auch Niederbayern lässt sich nicht lumpen: Der Passauer Christkindlmarkt am Dom findet auf dem schönsten Platz nördlich der Alpen statt. Mit besonderer Weihnachtsromantik wirbt Straubing und lockt als die Krippenstadt Niederbayerns. Der Landshuter Christkindlmarkt in der Freyung wird als einer der schönsten in diesem vorweihnachtlichen Städteranking beworben.
Tatsächlich sind die traditionsreichen Weihnachtsmärkte ein städtisches Phänomen und beileibe kein ländliches oder ausschließlich bayerisches. Schließlich wird der Frankfurter Christkindchesmarkt bereits 1393 erwähnt, der Dresdner Striezelmarkt 1434, während der Nürnberger Christkindlmarkt erstmals 1628 abgehalten worden sein soll. Aber warum ausgerechnet städtisch, wo wir doch Traditionen und alte Bräuche so gern mit idyllischem Landleben verbinden?
Nun, ehedem ging es auf diesen Märkten nicht darum, eine übersättigte Gesellschaft wie die unsere in weihnachtliche Stimmung zu versetzen. In vorindustrieller Zeit stand vielmehr die Bedarfsdeckung im Vordergrund. Begehrte Waren aus nah und fern konnten die Händler am besten in den einwohnerstarken Zentren anbieten, an den Knotenpunkten der eingeführten Handelsrouten. Hier lagen die Umschlagplätze, die auch die ländliche Bevölkerung aus der Umgebung zu den festgelegten Markttagen des Jahres aufsuchte. Gekauft wurden Dinge des Gebrauchs und solche, die man erst gar nicht zur Verfügung hatte, geschweige denn selbst herstellen konnte: Baumwolle, Seide, schöne Stoffe, Kleidung, Hüte, besondere Lederwaren, Schuhe, Geschirr, exotische Gewürze sowie feine Zelten der zünftigen Lebzeltner. Spielzeugmacher boten Holzspielzeug für die Kinder feil; im 19. Jahrhundert kamen Christbaumschmuck und Krippenzubehör aus Tirol und dem Erzgebirge hinzu. Auch der beliebte Passauer Holzmarkt in der Adventszeit lässt sich auf diese Tradition zurückführen.
Weihnachtsmärkte und -bazare, wie sie mittlerweile in kleineren Landgemeinden stattfinden, sind ein junges Phänomen. Mit örtlichen Traditionen lassen sie sich kaum begründen, aber das spielt keine Rolle. Inspiration holt man sich nicht aus Archiven; was ankommt, wird in die Tat umgesetzt. Meist gehen solche Veranstaltungen auf die Initiative kirchlicher Einrichtungen oder von Vereinen zurück. Angeboten werden neben Speisen und Getränken überwiegend Kunsthandwerkliches und Selbstgebasteltes. Der Erlös dient zumeist angesagten Spendenaktionen. Nicht der eigene Bedarf steht im Vordergrund, sondern das gemeinschaftliche Engagement und der gute Zweck. Beides ist sinnstiftend.
MS