„Wenn man ein Pferd verliert, steht im Haus die Uhr“, so kommentierte ein bekannter niederbayerischer Haflingerzüchter den Unfalltod seiner besten Stute. Aus diesem Satz spricht die große Wertschätzung und tiefe Verbundenheit dem Tier gegenüber. Der Verlust eines Pferdes ist nicht nur für Züchter ein einschneidendes Erlebnis. Denn die seit 2300 vor Christus in Bayern domestizierten Tiere haben bis ins 20. Jahrhundert hinein enorm viel für die Menschen geleistet. Insbesondere in Niederbayern entwickelte sich eine besondere Beziehung zu den Rössern.

Ab dem 13. Jahrhundert lösten sie die Rinder als Pflugtiere ab, da sie schneller und effizienter waren. Jahrhundertelang übernahmen sie Feldarbeiten für den Menschen, bis sie durch Maschinen ersetzt wurden. Im Bayerischen Wald leisteten sie unentbehrliche Dienste bei der Holzarbeit.

Doch nicht nur in der Landwirtschaft waren sie von großem Wert. Die Erfindung des Kummets ermöglichte es, die Kraft mehrerer Pferde zu vereinen. Das war auch dem aufkommenden Handelsverkehr zuträglich. Transportrouten wie der von den Salzsäumern viel bereiste Goldene Steig und die an ihn angrenzenden Städte gewannen in der Folge erheblich an Bedeutung dazu.

Auch im Krieg leisteten Pferde den Menschen viele Jahrhunderte hindurch mit Ihrer Geschwindigkeit sehr wertvolle Dienste. Aufgrund ihrer militärischen Bedeutung war die Kavallerie lange den Adeligen und Wohlhabenden vorbehalten. Diese zeigt sich auch in den Gemälden der europäischen Herrscher: Fast alle ließen sich hoch zu Ross malen.

Im Zuge der sich ändernden Kriegsführung im 20. Jahrhundert, in der Neuerungen wie automatische Schusswaffen, Grabenkämpfe, Stacheldraht, Giftgas und Panzer die kriegerischen Auseinandersetzungen prägten, schwand die militärische Effektivität von Pferden stark. Ungeachtet hiervon erbrachten sie als Last- und Transporttiere weiterhin essentielle Leistungen im Krieg. Bei Paraden und Trauerzügen unterstreichen Pferde bis in die Gegenwart hinein die Bedeutung von Militärs und Staatsmännern. Erinnert sei an den Trauerzug Ronald Reagans, bei dem 2004 ein Pferd mitlief.

Neben anderen Herrschern hatte auch der Märchenkönig Ludwig II. eine Schwäche für Pferde. Sein Lieblingspferd Cosa Rara ließ er präparieren, seinen berühmten Puttenschlitten von Rottaler Pferden ziehen. Diese niederbayerischen Warmblüter hatten als Kutsch- und Reitpferde große Bedeutung. Gegenwärtig gehören sie zu den extrem vom Aussterben bedrohten Pferderassen Deutschlands. 2013 gab es der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) zufolge insgesamt nur noch 27 Tiere. Durch Erhaltungszucht versucht man die Rasse zu retten.

Seit dem späten Mittelalter wurde die Pferdezucht in Bayern von staatlicher Seite gefördert. Im Zuge hiervon wurde u. a. 1769 in Landshut das „Churfürstliche und landschaftliche bairische Landgestüt“ geschaffen. Es vermittelte Deckhengste an Bauern, um deren Pferdebestand zu verbessern, musterte die Fohlen und führte Zuchtbücher und -register.

Schon lange benötigen die Menschen das Pferd nicht mehr als Nutztier. Heute dient es eher der Liebhaberei oder sportlichen Betätigung. Dieser Wandel trägt vermutlich zusätzlich dazu bei, dass es gegenwärtig nur noch verhältnismäßig wenige Rossmetzger in Niederbayern gibt. Denn wer möchte schon seinen Sportsfreund essen? Wie sich die Beziehung zwischen Mensch und Pferd im Zeichen des kulturgeschichtlichen Wandels weiterentwickelt, kann nur die Zukunft zeigen. Es steht aber wohl außer Frage, dass die große Zeit der Pferde vorbei ist.

LS
(Foto: Sabine Bäter)