Was ist Humus? Humus ist wie ein Schwamm; wie ein Schwamm, der alles aufsaugt: vor allem Wasser und Nährstoffe. Für die Pflanzen ist das ein Glücksfall. Humus ist nicht einfach so da. Er muss entstehen. Wie geht das? Wenn zum Beispiel ein Blatt auf den Boden fällt, ist es nach einiger Zeit nicht mehr da, weil Regenwürmer, Spinnen, Tausendfüßler und viele andere kleine Tiere immer wieder ein kleines Stückchen von dem Blatt abbeißen. Sie verdauen das Blatt und so gelangen seine Bestandteile in tiefere Bodenschichten. Dort machen sich Mikroorganismen ans Werk – ein ewiger Kreislauf.
Der Mensch stört diesen Kreislauf: Monokulturen, chemischer Dünger, Schädlingsbekämpfungsmittel und schwere Traktoren bringen den Kreislauf durcheinander. Je weniger dieser Kreislauf funktioniert, desto weniger Humus gibt es, desto unfruchtbarer der Boden.
Aber auch durch den Wind verschwindet der Humus allmählich. Er wird einfach weggeblasen, wenn keine Bäume und Sträucher da sind, die ihn bremsen. In den 1970er Jahren haben die Menschen aus vielen kleinen Äckern einige wenige große gemacht. Das hat man damals Flurbereinigung genannt. Der Gedanke war, dass man so kurzfristig mehr produzieren könne. Doch das hat sich langfristig gerächt: Viele Hecken und Bäume, Gräben und Bäche mussten dafür weichen. Die Lebensräume und Rückzugsorte vieler Tierarten waren verschwunden.
Heute sind wir in einer Sackgasse: Kleinere Bauern verschwinden so schnell wie der Humus. Wenn es nur darum geht immer mehr und immer billiger zu produzieren, können sie nicht mehr überleben. Der Landwirt alter Schule, der vom Ertrag seines Grundes leben kann, steht inzwischen auch auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Dem einst so stolzen Berufsstand geht der Nachwuchs aus.
Aber es gibt ein zartes Pflänzchen am Horizont, das zunehmend an Vitalität gewinnt und immer mehr Nachahmer findet – auch unter den Hoferben oder jungen Leuten, die auf der Suche nach Alternativen in Zeiten des Klimawandels, des Arten- und Höfesterbens sind: Und das ist die Agroforstwirtschaft.
Gliedernde Gehölzstreifen schützen den Ackerboden vor Wind- und Wassererosion. Die vielen Blätter, die von den Bäumen fallen reichern den Humusanteil an und verbessern die Bodenqualität. Tiere finden wieder Lebensräume. Und das dort, wo früher eine Agrarwüste war. Außerdem lässt sich die Produktpalette der Landwirtschaft mit Hackschnitzeln, Obstverkauf und der langfristigen Kapitalbildung durch Wertholz steigern. Ganz abgesehen vom ästhetischen Gewinn: attraktive Kultur- und Erholungslandschaften anstatt Rennstrecken für Traktoren.
Alleine können das die Bauern nicht schaffen. Jetzt sind die Förderbehörden gefordert, ihnen durch attraktive Prämien aus der Sackgasse zu helfen. Ein Vorbild könnte z.B. Indien sein. Dort unterstützt der Staat Ackerbau nicht gegen, sondern mit der Natur und das ganz ohne Chemie („Zero Budget Natural Farming“) Ein anderes Vorbild ist der brasilianische Pionier Ernst Götsch, der einst kahle Hänge ohne Quellen wieder in fruchtbare mehrstufige Wälder und schmale hochproduktive Ackerstreifen mit sprudelnden Wasserreservoirs verwandeln konnte („Syntropische Landwirtschaft“).
Das wäre eine echte Alternative hin zu einer wahrhaft „Grünen Revolution“ ohne die Abhängigkeit von weltweit agierenden Agrarkonzernen, Vermögensverwaltern und Kapitalgesellschaften, die die aktuelle Misere eher befördert haben und keines der aktuellen globalen Probleme nachhaltig lösen können. Durch den Erwerb von „Humuszertifikaten“ zur Senkung des hohen CO²-Fußabdrucks können Städter und Nicht-Landwirte diese Entwicklung schon heute unterstützen.
Helmut Wartner
Foto: Klaus Leidorf