Das „Eiserne Händl“ – ein blutiges Geheimnis?

Am südlichen Ausläufer des Hienheimer Forsts, gar nicht weit entfernt vom Kloster Weltenburg, steht ein ungewöhnlich hohes Marterl; etwa drei Meter hoch. Die Nische schmückt eine Figur. Es ist der Hl. Georg, der Drachentöter. Über der Nische weist das „Eiserne Händl“, eine schmiedeeiserne Hand, in Richtung des Weilers Haderfleck, der am Waldrand liegt. Um diese eiserne Hand rankt sich eine uralte, blutige Legende:

Vor langer Zeit machte sich ein kleines Mädchen auf den Weg in die Schule. Sie musste von Haderfleck aus durch einen dunklen Wald in den nächsten Ort nach Hienheim laufen. Eines Tages versperrte ihr plötzlich ein Wolf den Weg. Zitternd vor Angst warf ihm das Mädchen ihr Pausenbrot hin und rannte weg. Am nächsten Tag war der Wolf wieder da. Und wieder gab sie ihm ihr Pausenbrot und der Wolf ließ sie vorbei. Tag für Tag. Aber einmal war das Mädchen zu spät von zu Hause losgegangen. Der Wolf wartete schon. Sie fuhr mit der Hand in die Tasche – doch da war kein Brot! Sie hatte es zu Hause vergessen! Das machte den Wolf so grimmig, dass er das Mädchen mit Haut und Haar auffraß. Nur die Hand, die ihm tagtäglich das Brot gegeben hatte, die ließ er übrig. Und noch heute erinnert daran das Marterl mit dem „Eisernen Händl“.

Das Schauermärchen vom guten Mädchen und dem bösen Wolf war früher vielleicht dazu da, Kindern Angst einzujagen. Aber eigentlich hat es gar nichts mit dem Marterl zu tun. Denn es finden sich auch in anderen Gegenden Hände, die genauso aussehen. Was steckt nun hinter diesen Händen? In diesem Fall weist die Hand auf den Hienheimer Forst. Der Wald war im Mittelalter ein Bannwald und die Hand eine Warnung für Forstfrevler. Das bedeutet: Jedem, der dort unerlaubt Holz fällt, dem wird eine Hand abgeschlagen.

Und diese drakonische Strafe war nicht ohne Grund! Die Eichen des Hienheimer Forsts waren berühmt und begehrt: Die Bäume, aus denen das Chorgestühl des Kölner Doms gemacht wurde, standen einmal im Hienheimer Forst. Zum Bau der Ingolstädter Festung wurden 1826 hunderte alte Eichen gefällt. Sogar bis nach Wien ließ man unzählige Eichen donauabwärts schwimmen, um sie dort zu verkaufen. Noch 1730 schrieb Forst- und Wildmeister Franz Schmid an den bayerischen Kurfürsten: „Die Eichen des Hienheimer Forstes sind so wenig zählbar wie die Sterne am Himmel.“ Daran erinnert heute nur noch ein kümmerlicher Rest: der etwas über zwei Hektar große Ludwigshain inmitten des Hienheimer Forsts. Wegen der uralten Eichen, die dort stehen, wurde der Ludwigshain schon 1913 zum Naturschutzgebiet erklärt. Heute ist das Waldgebiet ein Paradies für Spaziergänger.

CG
(Foto: Stadtarchiv Abensberg)

Design connects – Kreativwoche in der Region Landshut!

Was verbindet die Ausbildung zum Keramiker, ein mittelalterliches Holzhaus, Beleuchtungskonzepte, Plakatworkshops, Social Media und steinerne Küchen miteinander? Was auf den ersten Blick wie ein bunt gemischtes Sammelsurium wirkt, kann durchaus einen roten Faden aufweisen: Alle Aktivitäten und Objekte sind Teil einer vielfältigen Kreativwoche rund um das Thema Design, die vom 11. bis 15. März 2020 in der Region Landshut stattfindet – Design connects!

Die MUNICH CREATIVE BUSINESS WEEK (MCBW) ist Deutschlands größtes Designevent und Schaufenster der bayerischen Kreativ- und Designwirtschaft. Regelmäßig wird dabei die Partnerschaft mit einer bayerischen Region eingegangen – 2020 und 2021 ist dies die Region Landshut. Träger sind der Bezirk Niederbayern, der Landkreis Landshut, die Stadt Landshut, die Initiative Silicon Vilstal und das Niederbayernforum. Ihr gemeinsames Engagement hat 49 Aktionen der regionalen Kreativwirtschaft zutage gebracht. Von Ausstellungen, Architektur- und Werkstattführungen, Plakatworkshops, Vorträgen über Medien-, Kommunikations-, Schmuck-, Möbel-, Licht- oder Verpackungsdesign bis hin zu Kreativangeboten für Kinder ist für jeden etwas dabei!

Dass die Orientierung an zeitgemäßem Design und die Traditionspflege dabei im Einklang miteinander stehen, zeigt die Kreativwoche ebenso auf: So knüpfen die Vorführungen der Keramikschule im Rahmen der MCBW an eine lange Tradition an, denn die Region Landshut ist dem Keramikhandwerk in besonderer Weise verbunden: Aufgrund ihrer reichen Tonvorkommen gilt sie seit langem als Zentrum der Töpferei und Ziegelherstellung mit einer mehr als 500 Jahre alten Kulturgeschichte. Diese nahm ihren Anfang im Jahr 1342, als in Landshut mehr als einhundert Häuser samt Nebengebäuden einem Stadtbrand zum Opfer fielen, was die Umstellung von der traditionellen Holz- auf Ziegelbauweise einleitete. Die Führung durch eine nachhaltige Ziegelproduktion im Programm der MCBW knüpft als moderne Variante an diese Tradition an. Ebenso zeigen Architekturführungen durch verschiedene mittelalterliche Häuser in Blockbauweise auf, wie die Sanierung historischer Bausubstanz mit modernstem Wohndesign in Einklang gebracht werden kann. Die Patina der alten Wände wird dabei in Szene gesetzt und erzählt die Geschichte eines Hauses neu. – Design connects!

https://www.mcbw.de/partnerregion-landshut

VK

 

Archen für gefährdete Nutztierrassen

Ist von „Arche“ die Rede, denkt man wohl zuerst an die Bibel. Im Buch Genesis wird ausführlich über die Geschichte vom rechtschaffenen Noah berichtet, dem Gott gebot, eine Arche zu bauen. Mit ihr sollte Noah seine Familie und alle Landtierarten vor der angekündigten Sintflut retten.

Heute ist es nicht die biblische Sintflut, welche das Leben vieler Tier- und auch Pflanzenarten bedroht. Die Gründe sind vielfältig, doch Auslöser ist letztendlich immer der Mensch. Das ökologische Gleichgewicht ist empfindlich gestört durch Umweltverschmutzung, Klimawandel, intensive Landbewirtschaftung, Monokulturen, Pestizide, Insektizide u. v. m. Dies führt zu einem Artensterben erschreckenden Ausmaßes. Betroffen davon sind nicht nur Wildpflanzen und Wildtiere, sondern auch Kulturpflanzen und Nutztiere aus der heimischen Landwirtschaft. Nachdem die meisten Nahrungsmittel heute mit relativ wenigen modernen Hochleistungssorten und -rassen produziert werden, misst man den alten Arten und Rassen zu wenig gewinnbringenden Nutzen bei. Deshalb stehen mittlerweile über 100 Rassen auf der „Roten Liste der gefährdeten Nutztiere“.

Die über Generationen hinweg betriebene, an Klima und Standort angepasste Nutztierzucht stellt jedoch eine wesentliche, wenngleich vielfach unerkannte Kulturleistung dar. Alte Haus- und Nutztierrassen sind von Menschen geschaffenes Kulturgut. Dieses ungewöhnliche und aufgrund seines genetischen Potentials wertvolle Gut zu schützen, hat sich die „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. (GEH)“ zur Aufgabe gemacht. 1981 im niederbayerischen Rottal gegründet, sitzt die Gesellschaft mittlerweile im hessischen Witzenhausen und ist bestrebt, dem drohenden Nutztierverlust mit verschiedenen Initiativen entgegenzuwirken.

Eine dieser Maßnahmen ist das „Arche-Projekt“, das seit 1995 läuft. Dabei leisten Landwirtschaftsbetriebe aktive Erhaltungsarbeit für gefährdete Nutztierrassen. Solche Betriebe sind nicht mit „Streichelzoos“ zu verwechseln. Ziel des Projekts ist es nämlich, besagte Rassen in der landwirtschaftlichen Produktion zu halten. Nur so kann man ihr Leistungspotential, ihre besonderen Eigenschaften gezielt nutzen und durch nachhaltige Zucht hoffentlich langfristig ihre Erhaltung gewährleisten. Aktuell gibt es weit über 100 anerkannte Archen deutschlandweit, davon 13 in Bayern und zwei in Niederbayern.

Arche-Hof Nr. 48 ist der „Pausnhof“ in St. Oswald am Südrand des Nationalparks Bayerischer Wald. Neben Hühnern und Kaninchen hat sich der Bio-Betrieb der Familie Simmet auf zwei alte, gefährdete Haustierrassen spezialisiert: auf das Waldschaf und das Pinzgauer Rind.

Petra und Marc Herrmann betreiben mit ihrem „Wampendobler Paradies“ in Egglham im Landkreis Rottal-Inn den Arche-Hof Nr. 56. Sie halten Krainer Steinschafe, Bayrische Landgänse und mit ihren Deutschen Lachshühnern und Westfälischen Totlegern zwei seltene Hühnerrassen.

Übrigens für alle erwähnten Tierrassen und viele weitere bietet die GEH auf ihrer Homepage umfangreiche Rassebeschreibungen mit guter Bebilderung. Wer also noch auf der Suche nach „seiner“ bevorzugten Rasse ist, ob Rind, Schwein, Pferd, Esel, Schaf, Ziege, Hund, Kaninchen, Huhn, Ente, Gans, Pute oder Biene, wird hier bestimmt fündig.

MS
(Foto: GEH e. V.)

Kleine Geschichte der Weißwurst

Zuzeln? Oder mit Messer und Gabel? Schon die Frage, wie man eine Weißwurst verspeisen soll, darüber geraten die Bayern in Streit. Noch uneiniger sind sie sich bei der Frage, wie und wann die Weißwurst eigentlich entstanden ist. Oder ist es ihnen wurscht? – Begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise:

Der Legende nach beginnt alles mitten im Fasching, am 22. Februar im Wirtshaus „Zum Ewigen Licht“ am Münchner Marienplatz: Irgendwie sind dem Wirt, dem Moser Sepp, damals die Schafsdärme für die Kalbsbratwürste ausgegangen. Was sollte er bloß tun? Die Gäste hatten Hunger und wurden allmählich ungehalten. In der Not hat der Moser Sepp das Kalbsbrät dann einfach in Schweinedärme gefüllt. Und weil die zu dick und zäh für Bratwürste sind, hat er sich gedacht: „Gut, dann lassen wir sie halt einfach in einem großen Topf mit heißem Wasser ziehen.“ Gesagt, getan. Als er dann seinen hungrigen Gästen die Würste serviert hat, waren sie natürlich erstmal grantig und haben geschimpft, dass das ja keine Bratwürste seien. Aber bald konnten sie gar nicht mehr genug von den Weißwürsten bekommen; soweit die Legende. Den Moser Sepp gab es wirklich und sein Wirtshaus auch. Aber die Weißwurst erfunden, hat er wohl nicht.

Die Weißwurst geht vielmehr auf eine alte Münchner Spezialität zurück: Nämlich die Altmünchner Maibockwurst, die mit Radi als „Unterlage“ zum Maibock serviert wurde. Der Maibock ist ein Starkbier, das vom 1. Mai bis Fronleichnam ausgeschenkt wurde. Die Altmünchener Maibockwurst darf man nicht mit der Bockwurst verwechseln, wie man sie heute kennt. Die Bockwurst ist eine ziemlich lange Wiener. Die Altmünchner Variante war viel dicker und mit Kalbs- und Schweinsbrät gefüllt, in Schweinsdärme gefüllt und wurde in großen Wurstkesseln warmgemacht; ähnlich wie die Weißwurst heute. Auf einer Darstellung aus dem Jahr 1814 kann man beobachten, wie in einem Münchener Bierkeller zur Maibockzeit eine solche Wurst verzehrt wird; natürlich ohne Messer und Gabel.

Dass die Weißwurst Mitte des 19. Jahrhunderts so beliebt wurde, mag in der Geschichte Münchens wie ein Zufall aussehen. Wirft man aber einen Blick in die Geschichte der Schweinezucht, löst sich dieser Zufall auf, da die Entwicklung der Weißwurst eng mit der Geschichte und Entwicklung der Schweinezucht im 19. Jahrhundert zusammenhängt. Denn die Weißwurst besteht ja neben Kalbfleisch zu einem großen Teil aus Schweinefleisch.

Bis ins 18. Jahrhundert wurden Schweine noch auf Weiden gehalten. Die landwirtschaftlichen Flächen, die man hatte, waren für die Schweinemast nicht ertragreich genug. Man hatte eh schon alle Hände voll zu tun überhaupt genug Nahrungsmittel für die Menschen herzustellen. Und so ging der Schweinebestand, insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg, immer weiter zurück. Fleisch konnte man sich damals, wenn überhaupt, nur an Festtagen leisten.

Im 19. Jahrhundert stieg die Bevölkerung und damit der Bedarf an Nahrungsmitteln rasant an. Die Landwirtschaft musste ihre Produktion erhöhen. Sie musste effektiver und industrieller werden: 1816 gab es nur 3,5 Millionen Schweine in Deutschland. 1914 waren es schon 20 Millionen. Im Jahr 1816 lag der Gesamtverbrauch von Fleisch in Deutschland pro Kopf noch bei 14 kg (25%). Der Anteil von Schweinefleisch belief sich dabei nur auf 3,5 kg. Im Jahr 1907 hatte sich der Fleischverbrauch pro Kopf mit 47 kg mehr als verdreifacht. Der Anteil von Schweinefleisch hatte sich auf 28 kg (60%) erhöht.

Die Engländer waren im 19. Jahrhundert den Deutschen in der Schweinezucht weit voraus. Also importierte man das englische „Large White“ und kreuzte es mit dem deutschen Landschwein. So entstand nach einigen Jahren das für die Mast viel effektivere Deutsche Edelschwein: Um 1800 brauchte ein Mastschwein noch zwei bis drei Jahre bis es auf 40 kg Schlachtgewicht kam, um 1900 nur noch 11 Monate für ein Schlachtgewicht von 100 kg.

Es war also kein Zufall, dass die Metzger im 19. Jahrhundert alte Wurstrezepte erneuerten und den Schweinefleischanteil erhöhen konnten. Möglich gemacht hat es eine Verlagerung der Landwirtschaft und Schweinemast von der Selbstversorgung hin zur industriellen Produktion, die wir heute erleben, wo Schweineställe fast nicht von Fabriken zu unterscheiden sind.

CG

Die 20er Jahre – wilde Musik, feiner Humor?

Da sind sie also seit dem Jahreswechsel wieder, die 20er Jahre! Der Begriff klingt uns vertraut im Ohr, man assoziiert die „Goldenen Zwanziger“ und „Roaring Twenties“, denkt an Ausgelassenheit und wilde, feierwütige Zeiten. Das kommende Jahrzehnt muss es also mit einem recht populären Begriff aufnehmen und sich mit einer Zeit messen lassen, die von Aufbruchsstimmung geprägt war: den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Neben dem Wirtschaftsaufschwung in Deutschland nach den kriegs- und krisengeschüttelten Vorjahren steht der Begriff auch für eine Blütezeit der deutschen Kunst und Kultur. Die „Goldenen Zwanziger“ endeten mit der Weltwirtschaftskrise 1929.

Heute verbinden wir mit dem Begriff neben einer modischen Bewegung überwiegend einen Musik- und Tanzstil, der von ausgeklügelten Arrangements und humorvollen Texten geprägt ist. Populär wurde etwa der Charleston, ein schneller amerikanischer Gesellschaftstanz auf der Grundlage von isolierten Bewegungen, etwa einem Rudern mit den Armen und X- bzw. O-Kombinationen der Beine. Josephine Baker machte ihn Mitte der 1920er Jahre in Europa bekannt. Nicht ganz so verbreitet war der Black Bottom, der als provokant und anstößig galt: Auf Jazzmusik im synkopierten Viervierteltakt wurde mit stampfenden Schritten getanzt und dabei das Becken vor- und zurückbewegt. Der Tanz scheint symbolhaft für eine Zeit der kulturellen Befreiung. Noch bekannter wurde die Swingmusik, eine Stilrichtung des Jazz, deren durchgängiger Offbeat sie pulsierend und gut tanzbar machte.

Die populäre Schlagermusik begeisterte in den 1920ern durch ihren feinen Humor und hat auch 100 Jahre später nichts an sprachlichem Witz eingebüßt. Zahlreiche Zitate aus der Feder bekannter Texter wie Bruno Balz, Robert Gilbert, Friedrich Hollaender oder Fritz Rotter klingen heute noch im Ohr. Das spricht für deren Qualität, trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer leichten Muse: Wohl ein jeder hat schon einmal „Mein kleiner grüner Kaktus steht draußen am Balkon“ oder „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt“ mitgesungen. Und wer kennt nicht „Veronika, der Lenz ist da“ oder „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist?“, dargeboten von den Comedian Harmonists, der damals bekanntesten deutschen Gruppe.

Die Texte zeugen von Selbstbewusstsein und Witz: So erklärt in Max Hansens Lied „War’n Sie schon mal in mich verliebt?“ ein ertappter Verführer sein Handeln:

Einmal – ich vergess es nie – stand der Mann vorm Bett und schrie:

‚Na, da komm’ ich ja grad recht!‘ Ich rief: ‚Zu früh‘!

War’n Sie schon mal in mich verliebt? Das ist das Schönste, was es gibt!

Betrachten S‘ mich genau und dann schau’n Sie sich selbst im Spiegel an…

Ohne vergangenen Zeiten verklärt hinterher zu blicken, übertrifft die damalige Feinsinnigkeit viele heutige Texte. Dies erklärt vielleicht, weshalb in der Faschingszeit Kostümbälle unter dem Motto „Die Goldenen Zwanziger“ bei manchem Besucher mehr gefragt sind als Faschingspartys, bei denen Titel wie „Sternhagelvoll“, „10 nackte Frisösen“, „Joana, du geile Sau“, „Scheiss drauf“ oder „Hooray For Whiskey“ erklingen. Diese belegen aktuell übrigens die vorderen Plätze der beliebtesten Faschingshits …

Wir sind gespannt, in welche kulturelle Blütezeit uns das kommende Jahrzehnt führt.

VK

(Foto: Andreas Hasak)

Der Pfahl

 

„In weißer Zauberstunde,

Erstarrt im Sternenschein,

Gleißt überm Tannengrunde

Der Weiße Stein.

 

In übermoosten Tiefen

Drängt aus dem Felsenschacht,

Als wenn ihn Sterne riefen –

Der Quarz mit aller Macht.

 

Er dringt durch Felsenwände,

Von Inbrunst ganz erfüllt,

Dass sich in ihm vollende

Das Sternenbild.

 

In seeligem Erinnern

An das bestirnte All

Wächst tief im Felseninnern

Der Quarzkristall.“

(Siegfried von Vegesack (1888-1974))

Schnurgerade zieht sich der Pfahl auf einer Länge von 150 Kilometern durch den Bayerischen Wald: Als ob ein Riese mit einem Lineal den Bayerischen Wald in zwei Hälften zerteilt hätte. Was ist der Pfahl eigentlich? Und warum ragt er so majestätisch in den Himmel?

Im Erdaltertum, vor ungefähr 275 Millionen Jahren, als die Erde nur Insekten und Amphibien bevölkerten, waren die Kontinente stark in Bewegung. Dort, wo wir heute leben, entstanden Gebirgszüge, so hoch wie der Himalaya heute ist. Dabei wurde der vordere gegenüber dem hinteren Bayerischen Wald massiv angehoben. An der Bruchstelle drang kieselsäurehaltiges Wasser ein. So bildete sich in sechs Kilometern Tiefe eine Quarzwand aus.

In den vielen Millionen Jahren, die seitdem vergangen sind, haben Wind und Wasser das Gestein abgetragen, das die Quarzwand umgab. Was sie aber nicht abtragen konnten, das war das Quarzgestein, das viel härter und widerstandsfähiger ist. Und deswegen ragen auch zum Beispiel in der Nähe von Viechtach, Patersdorf oder Cham schroffe, kahle, hell-leuchtende Quarzfelsen in den Himmel. Diese Felsen haben die Menschen „Pfahl“ genannt.

Ein paar Kilometer südöstlich von Regen thront die Burgruine Weißenstein auf dem Pfahl. Burg auf dem „weißen Stein“ nannte man sie, als sie im 12. Jahrhundert von den Grafen von Bogen erbaut wurde. Im 30-jährigen Krieg haben schwedische Truppen die Burg verwüstet. 1742 ist sie, während des Österreichischen Erbfolgekriegs, endgültig zerstört worden. Seitdem liegt die Hauptburg auf dem Pfahl in Trümmern.

Am Fuße des Felsens steht seit 1762 ein großer Turm. Er diente als Getreidekasten. Dort mussten die Untertanen den „Zehent“, den zehnten Teil ihrer Ernte abgeben. Ganz ähnlich funktioniert heute die Einkommensteuer. 1918 kaufte der Schriftsteller Siegfried von Vegesack (1888-1974), von dem auch das einleitende Gedicht ist, den Turm. Dort entstanden in den fast 50 Jahren, die er dort wohnte, 42 Bücher, zahlreiche Theaterstücke, Übersetzungen und Gedichte. Seinen zweiten Roman, der 1932 im Verlag Büchergilde Gutenberg (Berlin) erschien, nannte er „Das Fressende Haus“. Das „Fressende Haus“ ist natürlich der Turm, in dem er wohnte. Ihn zu erhalten kostete ihn einfach so viel Geld. In seinem Roman schildert er einen Fremden, der nach Weißenstein kommt, staunend das Leben der „Waldler“ betrachtet, schließlich den Turm kauft und sich ruiniert, weil die Instandhaltungskosten ihm über den Kopf wachsen.

Dank des Engagements des „spinnerten Barons“, wie ihn die „Walder“ nannten, wurde der Pfahl 1939 unter Naturschutz gestellt. Und in unmittelbarer Nähe zum „weißen Stein“ findet ist auch sein Grab.

CG
Foto: Schröder/Tourist-Information Regen

„MUSbi – Museum bildet!“ Ein Angebot für Schulen und Museen

Bayern ist das museumsreichste Bundesland. Die bayerische Museumslandschaft ist vielfältig. Sie zählt rund 1.300 kunst- und kulturhistorische, archäologische und technische Museen, naturkundliche Sammlungen, Freilicht- und Bauernhofmuseen, Schlösser und Burgen. Diese Vielfalt setzt sich in jedem der sieben bayerischen Regierungsbezirke fort. So kann selbst ein relativ kleiner Bezirk wie Niederbayern auf 130 Museen und Sammlungen unterschiedlichster Art verweisen.

Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich sowohl in der bayerischen als auch in der regionalen Museumslandschaft viel bewegt. Langjährig bestehende Museen – ob Kunstsammlungen, Stadtmuseen oder Heimatstuben – wurden sprichwörtlich „entstaubt“, ihre Ausstellungen heutigen Anforderungen gemäß überarbeitet. In jüngerer Zeit entstandene Einrichtungen, darunter viele Spezialmuseen, orientierten sich von vorneherein an den aktuellen Qualitätsstandards. Um nur einige Beispiele zu nennen: das archäologische Museum Quintana in Künzing (2001), die Steinwelten im Granitzentrum Bayerischer Wald (2005), die industriegeschichtliche Abteilung im Museum Dingolfing (2008), das Auswanderermuseum in Schiefweg (2010) oder das Museum für Steinzeit und Gegenwart im Kastenhof Landau (2019). Stets gilt es, dem Auftrag und Anspruch des Museums als Bildungseinrichtung gerecht zu werden.

„MUSbi – Museum bildet!“ ist neuerdings auch Programm und Bezeichnung für ein Modellprojekt, das 2014 vom Bezirk Oberfranken initiiert wurde. Nach Unterfranken (2017) schließen sich heuer die Bezirke Niederbayern und Oberpfalz an. „MUSbi“ ist eine Internetplattform (Web-App) und dient als Schnittstelle zwischen Museen und Schulen. Hier präsentieren sich Museen mit ihren museumspädagogischen Programmen, die sie speziell auf Schularten, Lehrpläne und Jahrgänge abstimmen. Diese Angebote unterstreichen die Rolle der Museen als außerschulische Lern- und Bildungsorte. Insbesondere Lehrkräfte können sich so gezielt über museumspädagogische Programme und Themenführungen als Unterrichtsergänzung informieren.

Für die Schüler bedeutet dies, „raus aus dem Klassenzimmer und mal wo anders was Neues erfahren …“, wie auf der MUSbi-Homepage (www.musbi.de) zu lesen ist: Wissenswertes soll dabei so gut rübergebracht werden, dass es auch Spaß macht. Oder anders gesagt: Anschauungsunterricht anhand von echten Objekten mit Geschichte. Ist das nicht cool? Übrigens, keine Lehrkraft muss sich sorgen. Die pädagogische Qualität des Angebots ist gesichert. Sämtliche Programme auf der Plattform werden überprüft: Administratoren stellen sicher, dass pädagogische Methoden und Materialien sowie Inhalte und Themen eng mit den bayerischen Lehrplänen abgestimmt sind. Wenn das kein Angebot ist!?

MS
(Foto:Freilichtmuseum Finsterau/Massing)

 

 

 

Alte Laienspieltradition – Neuer Laienspielberater

Schauspielerisches Talent und Spielfreude werden den Bayern gerne nachgesagt. Deshalb finden sich in der Literatur liebgewonnene Zuschreibungen wie die nachfolgende, durch die man sich dieser scheinbar diagnostizierbaren Charaktereigenschaften vergewissert: „Die Welt – ein Schauspiel, das ist der Gedanke, der alle Jahrhunderte hindurch die künstlerischen Vorstellungen des bairischen Volkes beherrscht hat. Sich selbst und die Welt zu spielen, darauf lief alle bairische Kunst hinaus“, schrieb einst der Literaturhistoriker Josef Nadler.

Die Vorstellung vom komödiantischen Bayern mag einerseits ein Klischee sein. Nicht jede/r besitzt das Talent oder hat Lust, sich auf der Bühne zu präsentieren. Andererseits gibt es in Bayern erstaunlich viele Menschen, die regelmäßig in Rollen schlüpfen.
Warum dies so ist, lässt sich mit der langen Theaterspiel-Tradition in Bayern erklären. Ihre Anfänge sind in den religiösen Bräuchen und mittelalterlichen Volksschauspielen zu finden. Seine Blütezeit erlebte das Volksschauspiel insbesondere im Barock. Die einst zahlreichen ländlichen Spielbräuche wie Hirten-, Stuben- Weihnachts-, Paradiesspiele, Sternsingen, Prozessions- und Passionsspiele zeugen davon. Mit der aufkommenden Vereinskultur im 19. Jahrhundert verselbständigt sich das Theaterspiel. Die Spielstoffe werden weltlicher. Es sind romantischen Ritter- und Räuberdramen, denen dann um die vorletzte Jahrhundertwende Volksstücke bayerischer Prägung, Bauerndramen und ländlichen Komödien, folgen.
Diese Theater-Tradition wird in breiten Kreisen der Bevölkerung fortgeführt und gepflegt. Bayernweit sind es etwa 2.000 Laienspielgruppen, die ihr Publikum jährlich mit wenigstens einer Produktion unterhalten und damit einen kulturellen Akzent in ihrer Gemeinde setzen.

Im Bezirk Niederbayern ist man sich dieses Engagements bewusst. Deshalb können die niederbayerischen Laienschauspieler auf Unterstützung zählen. Seit 1991 gibt es hier einen Laienspielberater, der in fachlichen Fragen weiterhilft und darüber hinaus Fortbildungskurse anbietet. Ferner hält der Bezirk Niederbayern seit 1998 einen Kostüm- und Requisitenfundus für niederbayerische Laienspieler vor. Auf der Homepage „www.laienspiel-niederbayern.de“ können sich regionale Theatergruppen präsentieren und ihre Theaterproduktion bewerben.

Seit 2020 steht mit dem niederbayerischen Schauspieler und Regisseur Wastl Goller ein neuer Fachberater für Theaterfragen zur Verfügung.
Wastl Goller absolvierte 2002 ein Schauspielstudium. Ab 2014 war er Schauspiel- und Regiedozent an der Athanor Akademie für darstellende Kunst, die er seit dem vergangenen Jahr hauptberuflich leitet. Gollers künstlerische Biographie weist zahlreiche Schauspielengagements an renommierten Bühnen auf. Er kann auf viele erfolgreiche Regiearbeiten verweisen. Darüber hinaus hat er als Theaterpädagoge gearbeitet und besitzt langjährige Erfahrungen in der Laientheater-Arbeit. Dies alles sind gute Gründe, die Kompetenz des niederbayerischen Laienspielberaters zu nutzen. Auch alte Traditionen bedürfen bei Zeiten neuer Impulse.

MS

Schwimmende Steine – Die Erhardi-Legende

Weithin sichtbar am höchsten Kamm des Isarhochufers liegt das Dörfchen Frauenberg bei Landshut. Über den Ort erhebt sich der schlanke Kirchturm der Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung. Die Kirche wurde auf den Überresten einer romanischen Kapelle  zwischen 1470 und 1480 im gotischen Stil neu erbaut. 800 Jahre früher errichtete an diesem Ort der heilige Erhard eine kleine Holzkapelle.

Wie aber kam der heilige Erhard, der aus Südfrankreich stammt, ins damals wilde Niederbayern, nach Frauenberg?

Erhard war ein Wandermönch und Gründervater zahlreicher Klöster; vor allem im Elsass. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts wurde er als Missionsbischof an den Regensburger Hof gerufen. Als er einmal in die Gegend von Altheim bei Landshut kam, brach eine Viehseuche aus und die Bauern flehten um seine Hilfe. Aber alles, was Erhard auch versuchte, es half nichts! Die Bauern wurden ärgerlich und hitzig und Erhard musste seine Beine in die Hand nehmen, wollte er mit dem Leben davonkommen. Die Bauern verfolgten ihn und es blieb ihm nur die Flucht über die Isar. Zu der Zeit war die Isar ein wilder Fluss. In höchster Not, die Bauern waren ihm dicht auf den Fersen, erblickte er auf einmal einen Stein, der seelenruhig auf den Wogen der Isar dahin trieb. Erhard nahm all seinen Mut zusammen, sprang in den Fluss, klammerte sich an den Stein und der trug ihn sicher über die Isar. Voller Dankbarkeit nahm er den Stein mit sich und gründete unweit von der Stelle, an der er an Land gelangte, die Kirche Frauenberg. Und rechts neben dem Kirchenportal an der südlichen Außenmauer lehnt heute noch immer derselbe Stein, der den heiligen Erhard vor vielen hundert Jahren wohlbehalten über die Isar getragen hat.

In Erinnerung an den hl. Erhard werden jedes Jahr am 8. Januar in Frauenberg mit ganz alten Formen Erhardibrote gebacken und gesegnet, um Menschen und Tiere vor Krankheiten zu schützen.

Nehmen wir diese schöne Legende nicht wörtlich um sie nicht zu zerstören. Nehmen wir einfach an, der hl. Erhard ist auf wundersame Weise seinen Verfolgern entkommen. Und wahrscheinlich hat er dabei eine der mehr oder weniger gefährlichen Furten benutzt, die damals über die Isar führen. Denn an derselben Stelle, die der hl. Erhard benutzte, überquerte auch knapp 200 Jahre später der hl. Wolfgang die Isar, als er sich auf den Weg zu dem nach ihm benannten Wolfgangs-See bei Salzburg gemacht hat, um dort fortan als Einsiedler zu leben.

CG
Foto: CG

Die Donau, die Kunst und ein Sekt mit Heimatgeschmack

Die Donau, die Kunst und ein niederbayerischer Obstschaumwein: Edgar Stein bringt sie zusammen auf seinem Vierseithof direkt an der Donau in der Nähe von Straubing. Für den Künstler, der 1965 in Straubing geboren wurde, heißt das: Landschaft erfahren, abbilden und gestalten. Sein Kunstkonzept, das identisch ist mit seinem Lebensentwurf, reicht von der Landschaftserfahrung über die Zeichnung zum funktionalen Objekt bis hin zum, mittlerweile biozertifizierten, Obstschaumwein. Die Donau ist aus seiner Kunst nicht wegzudenken. Immer hat er sich in ihrem Umfeld aufgehalten. Die Qualität des Wassers, der Fischbestand, die Schiffbarkeit und die Schleusen; das alles interessiert den Künstler von jeher und weit über ein traditionelles künstlerisches Interesse hinaus.

Um die Landschaft im Bereich der Donau zu erfahren, begann Edgar Stein mit dem Bau von Fahrzeugen. Das „Ur-Boot“ wurde in den 1980er Jahren gebaut und ist nach wie vor einsatzbereit. Parallel dazu entstanden Radierungen von Schleusen und von einigen Kilometern Donau. Daneben gibt es klassische Zeichnungen, an denen die Entwicklung der Siebdruck-Etiketten für den Obstschaumwein ablesbar ist, denn selbstredend sind die Etiketten auf jeder Flasche Originalgrafiken.

Zwischen den ersten Fahrzeugen und dem letzten Boot liegen runde zwanzig Jahre, in denen Edgar Stein den Weg vom Bau funktionaler Objekte bis hin zur Herstellung von Schaumwein, als einem Produkt kunstvoller Sektkellerei, zurückgelegt hat – also vom Vierrad bis hin zum Obstsekt aus Obst, das er rund um seinen Hof anbaut. Das alles gehört in sein Konzept, in seinen Entwurf von Kunst und Leben hinein. Stein baute Boote „nach dem Augenmaß“. Die Form entstand während des Bauens. Es sind funktionale Geräte, die ein Mensch aus eigener Kraft bewegen kann und mit denen er imstande ist, Werkzeug und Material zu transportieren: Mit dem Vierrad wird das Boot zur Donau transportiert und zu Wasser gelassen, um das Land entlang der Donau und auch den Fluss selbst zu erfahren. Die Ufer der Donau, ihre Schleusen, all das wurde in Zeichnungen und Radierfolgen festgehalten.

Nachdem Stein den Vierseithof hinter dem Donaudamm erworben hatte, begann für ihn die ganzheitliche Eroberung der Donaulandschaft. Er sanierte den Hof, gestaltete das Gelände und entdeckte damit die Möglichkeiten, die darin lagen. Er nahm die Heimat in Besitz. Er fing an, Obst anzubauen und schuf damit die Grundlage für die Schaumweinherstellung. Gemeinsam überwanden Edgar Stein und seine Frau Doris Köppel sämtliche bürokratischen Hürden: Der „Steppelhof“ darf sich „Erster Schaumweinherstellungsbetrieb Niederbayerns“ nennen. Steins ganzheitlicher Kunstbegriff erstreckt sich also nicht allein auf die Funktionalität des Werkzeugs und die Bewirtschaftung des Landes, sondern ganz selbstverständlich auch auf die Qualität der Lebensmittel, womit Essen und Ernährung, über das Lebensnotwendige hinaus, als kulturelle Güter gesehen werden. Dieser Gesamtentwurf stellt Leben und Arbeit unter ästhetische Kriterien und liefert damit einen Beitrag zur Kultur unserer Heimat.

KO