20 Jahre Kostüm- und Requisitenfundus in Mainkofen

Eine Sammlung von Requisiten wie Uhren, Kannen usw.

Der stilistische Abstand eines Theaterkostüms zur Alltagskleidung des Großteils der Bevölkerung unterlag die Jahrhunderte hindurch dem Wandel. Eine relativ große Nähe zur Alltagskleidung wiesen die Kostüme in der Antike auf. Die Komödien des Barock orientierten sich ebenfalls an der zeitgenössischen Kleidung. In den Barock-Tragödien wurden dagegen vorwiegend alltagsferne, üppig ausgestattete Kostüme eingesetzt. Das umgekehrte Bild lässt sich im Theater des späten 19. Jahrhunderts ausmachen. In naturalistischen Dramen wurde mit täuschend echten Kopien der alltäglichen Kleidung gearbeitet. Dafür wurde hier nun im komischen Unterhaltungstheater auf aufwendige Kostümierungen gesetzt. Im Theater der Gegenwart herrscht die absolute Pluralität der Möglichkeiten: Kostüme müssen keinen Trends folgen und „lediglich“ der Spezifik von Stück und Inszenierung gerecht werden.

Unabhängig von Ihrer Nähe oder Distanz zur Alltagskleidung leisten Kostüme für das Theater schon immer eine doppelte Funktion der Überzeugung. Den Schauspielern helfen Sie dabei, sich in Ihre Rolle hinein zu versetzen. Dem Publikum erleichtern sie das Eintauchen in die zeitweilig auf der Bühne geschaffene Welt. Weil Kleider Leute machen, bieten sich Kostüme dafür an, den sozialen Status, aber auch den Charakter einer Figur, dem Publikum gegenüber zu kommunizieren, ohne ihn offen aussprechen zu müssen.

Da sie also wichtig sind, ihre Anschaffung aber gerade Laienspielgruppen finanziell belastet, hat das Kulturreferat des Bezirks Niederbayern bereits 1998 auf dem Gelände des Mainkofener Bezirksklinikums einen Kostüm- und Requisitenfundus eingerichtet, der Theatergruppen das kostenlose Entleihen ermöglicht. Anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens wird es am Samstag den 22.9 von 10 bis 16 Uhr einen Tag der offenen Tür geben. Dieser wird bei schlechtem Wetter ausschließlich im Haus D 3 und bei gutem Wetter auch im Freien vor Haus D 3 stattfinden. Die Leiterin, Elisabeth Weickmann, wird an diesem Tag durch den Fundus führen, aus dessen Beständen Einzelteile preiswert erworben werden können. Zudem wird der Laienspielberater des Bezirks Niederbayern, Peter Glotz, die anwesenden Kinder spielerisch an die Theaterarbeit heranführen, indem er mit ihnen zusammen kleinere Szenen einstudiert. Damit das Schlüpfen in eine andere Rolle auch gut funktioniert, können sich die Kinder schminken lassen und sich selbst Kostüme und Requisiten für die Szenen aussuchen.

Das Kulturreferat Niederbayern freut sich auf Ihren Besuch!

Anfahrt: http://www.mainkofen.de/172.html

 

LS

Überreiche Obsternte 2018

Wer derzeit mit wachen Augen durch die Städte und Dörfer geht oder fährt, sieht, wie sich viele Obstbäume biegen unter der überreichen Last ihrer Früchte. Ja, manchmal sind die Zwetschen-, Birnen- oder Apfeläste sogar an- und abgebrochen , weil sie das Gewicht ihrer Produkte nicht mehr tragen können. Oder sie nicht von stützenden Holzpfählen gerettet werden. Dieses Bild regt zu mancherlei Gedanken an, denn es kann offensichtlich ein Zuviel geben, das schädliche Folgen hat.

Unser auf ständiges Wachstum programmiertes Denken, das gerne in jedem Minus einen Rückschritt sieht, wird mit den Gesetzen der Natur konfrontiert. Diese sind nicht linear angelegt, sondern zyklisch im ständigen Wechsel von Werden und Vergehen, nicht hierarchisch, sondern eher komplex-vernetzt. Auf Rekordernten folgen oft Ruhejahre mit sehr mäßiger Ausbeute. Oder wie der bairische Volksmund sagt: „Es hängt net oiwei auf oa Seitn.“ Es gibt kein „ewiges“ Wachstum, nur ein exponentielles bei Krebszellen.

Die hitzige Diskussion um das Bienen- und Insektensterben mit Monokulturen in der modern-hochtechnisierten Landwirtschaft, den artgerechten Umgang mit der Tierwelt in Zeiten der Massenproduktion, zunehmende Wetterextreme mit Hitzeperioden, Starkregen-Ereignissen und die unaufhaltsame Flächenversiegelung unserer heimatlichen Kulturlandschaft zeigt, das wir uns dringend fragen müssen, ob wir in Zukunft einfach unseren rohstoff- und energieintensiven Lebensstil ungerührt weiterpflegen wollen. Oder uns besinnen auf ein bescheideneres Maß mit langfristiger Über-Lebensperspektive.

Die überreiche Obsternte 2018 könnte uns auch wieder einmal anregen, die kulturelle Vielfalt der gemeinschafts- und sinnstiftenden Verarbeitungsformen zu schätzen: vom Obstpressen über´s Einmachen, Einwecken bis zum Dörren. Gerade die niederbayerische Kulturlandschaft mit ihren fruchtbaren Böden, dem ausgeglichenen Klima mit ausreichenden Niederschlägen hat im deutschland- und europaweiten Vergleich eine erfolgsversprechende Zukunft vor sich. Wenn das immer mehr VerbraucherInnen wertschätzen, werden sie vielleicht künftig auch wieder mehr regional bewährte Obstbäume und heimische Wildblumen pflanzen, vorhandene Streuobstwiesen schützen und pflegen. Oder sich freuen, wenn sie ganz neue Geschmackserlebnisse erleben, wenn sie in lokal typische Sorten beißen.

Das bevorstehende Erntedankfest ist wie jedes Jahr ein guter Anlass, sehr dankbar zu sein für die besonderen Schätze der Obstkultur, die wir heuer in so großer Fülle geschenkt bekommen haben.

 

HW

„Heiliges“ Vergnügen

Die Auer Dult aus der Vogelperspektive (Foto: Klaus Leidorf)

Viele Volksfeste finden ihren Ursprung in Kirchweihen und Gedenktagen an Heilige. Diese wurden stets liturgisch gefeiert, aber auch weltlich begangen. Als Jahrmärkte oder Dulten entfalteten sie im Lauf der Jahrhunderte ihr profanes Eigenleben und erfreuen sich bis heute großen Zulaufs.

„Dult“ ist eine in Bayern gebräuchliche Bezeichnung für Messe oder Jahrmarkt. Einst fanden diese im Jahreskalender besonderen Ereignisse nach der Messfeier auf und um den Kirchplatz herum statt. In Zeiten ohne Warenhäuser und Onlinehandel erfüllten die Dulten einen wichtigen Zweck. Wie bei den Weihnachts- oder Christkindlmärkten deckte die Bevölkerung an solchen Markttagen nach dem Kirchgang ihren Warenbedarf: Stoffe aus Baumwolle und Seide, modische Kleidung, Schuhwerk, Porzellan, seltene Gewürze, Spezereien und Sonstiges, was man selbst nicht herstellen konnte.

Mit ihrem Warenangebot halten die Fieranten die alte „Standl-Tradition“ auch auf den modernen Volksfestplätzen hoch, während neben Bierzelten, Schießständen und Losbuden immer waghalsigere Fahrgeschäfte die Besucher anzulocken versuchen. Dennoch erliegen viele von uns dem Charme der zünftigen Dult-Händler, welche ihre Produkte ebenso lauthals wie gekonnt anpreisen.

Die wohl populärste Dult in Bayern findet dreimal jährlich im Münchner Stadtviertel Au am Mariahilfplatz statt. Es ist die „Auer Dult“, die im Frühjahr als Maidult, im Sommer als „Jakobidult“ (St. Jakob, 25. Juli) und im Herbst als Kirchweihdult abgehalten wird. Die „Jakobidult“ lässt sich auf dem heutigen Sankt-Jakobs-Platz bis in das Jahr 1310 zurückverfolgen, ehe sie Kurfürst Karl Theodor 1796 in den Vorort Au verlegen ließ. Der „Auer Dult“ ist mittlerweile ein großer Kunst- und Antiquitätenmarkt angegliedert; ferner gilt sie als größter Geschirrmarkt Europas.

Auch anderen Städten sind neben ihren Oster- und Pfingstdulten ihre Herbstdulten und Kirchweihfeste sprichwörtlich „heilig“, z. B. den Augsburgern seit 1276 die Michaelidult (St. Michael, 29. September), den Landshutern seit 1339 die „Barthlmädult“ (St. Batholomäus, 24. August) oder den Salzburgern der ebenfalls seit dem Mittelalter gefeierte „Rupertikirtag“ (St. Rupert, 24. September). Genauso halten viele kleinere Städte und Orte regelmäßig im Jahr ihre Frühjahrs- und Herbstvolksfeste ab: die Abensberger feiern ihren auf der Wallfahrt zu St. Gilgen (Hl. Ägidius, 1. September) begründeten Gillamoos seit 1583 vor den Toren der historischen Altstadt. Die Mainburger berufen sich mit ihrem Gallimarkt auf St. Gallus (16. Oktober) und eine gut sechshundertjährige Tradition.

Volksfeste, Kir(ch)messen, Dulten und Märkte zählen zu den beliebtesten Freizeitangeboten in Deutschland. Knapp 10.000 solcher Feste mit weit über 170 Millionen Besuchern werden jährlich bundesweit abgehalten. Bemerkenswert ist, wie viele davon aus alten Warenmärkten an christlichen Heiligengedenktagen hervorgegangen sind.

MS

Heimatkrimiblues

Heimatkrimis sollen unterhalten und amüsieren

Sind Heimatkrimis blöd? Sind sie wirklich, wie der Literaturkritiker Denis Scheck es einmal gesagt hat, „die Pest in der Literatur unserer Tage“? Vom Standpunkt des literarischen Kunstwerks aus betrachtet, vielleicht. Aber in Literatur, egal welcher, steckt auch immer ein gesellschaftlich-soziales Moment. Und das macht den Heimatkrimi zu einem überaus interessanten Phänomen.

Nehmen wir als Beispiel die Eberhofer-Krimis von Rita Falk. Der Protagonist Franz Eberhofer, Dorfpolizist mitten in Niederbayern, ist ein Durchschnittstyp, der den Finger schnell am Abzug seiner Pistole hat. Meistens schießt er nur in die Luft. Und der alles recht unkompliziert regelt: Wenn gerade das Klo besetzt ist, benutzt er einfach schnell das Waschbecken. Kurzum: Es ist ein ganz normaler Mensch, der über uns wacht und die Dinge einfach anpackt. Die Heimat, über die er wacht, ist ein „Früher-war-alles-besser-heile-Welt“-Heimatidyll, in dem das größte Problem darin besteht, nachts vom Wirtshaus nach Hause zu finden. Die Personen sind wandelnde Klischees: Die wahnsinnig neugierige Dorfratschn, die liebe, aber auch furchtbar nervige Oma. Wenn sie nicht gerade Rahmschwammerl mit Knödeln kocht, ist sie auf Schnäppchenjagd. Der brummige Vater, der etwas dämliche Metzger, der faule Bürgermeister … All diese Personen sind so überzogen dargestellt, dass es sie in Wirklichkeit gar nicht geben kann. Oder doch? Ein ganz kleines bisschen vielleicht? Ja, denn Klischees haben einen kleinen, aber unbedingten Bezug zur Wahrheit.

Man könnte natürlich jetzt sagen: „Da verkauft jemand die Niederbayern für blöd.“ Stimmt! Aber mit einem Augenzwinkern, was das Ganze doch wieder recht amüsant macht – und auf keinen Fall boshaft.

Was macht Heimatkrimis so erfolgreich? Viele Menschen würden liebend gern die Realität mit der Illusion eines niederbayerischen Heimatidylls tauschen. Sie sehnen sich nach Normalität, einfachen Verhältnissen, nach einfachen Lösungen, einfachen Erzählmustern, ein bisschen Spannung; aber davon bitte nicht zu viel! Und ein bisschen über sich selbst schmunzeln, das wollen sie auch. All das, vor allem die Sehnsucht nach Normalität, erfüllen Heimatkrimis oft. Man liest sie nicht, weil sie so spannend sind. Man liest sie, um – wie bei einer Daily Soap – zu sehen, wie es den Figuren, die einem ans Herz gewachsen sind, diesmal ergehen mag.

Und, obwohl Krimis vom Außergewöhnlichen, von Mord beispielsweise, handeln, der in die Normalität hereinbricht, ist das Happy End nie gefährdet. Das ist alles ein bisschen so wie bei Ludwig Ganghofer: „Der Jäger von Fall“ ist gewissermaßen auch eine Art Heimatkrimi: Die Sennerein Marei hat einen kleinen, unehelichen Sohn. Den Vater, der Wilderer ist, versteckt sie auf ihrer Alm. Aber eigentlich liebt sie den Jäger Friedl, der schon lange in sie verliebt ist, aber hinter dem Wilderer her ist. Ganghofers Personen sind richtige Menschen, keine Klischeefiguren. Und in ihnen – das ursprüngliche Zentrum der Handlung ist das Drama, das Marei innerlich zerreißt – und um sie herum entstehen Tragödien. Das ist bei Ganghofer glaubhaft, weil es richtige Menschen sind, die da reden, handeln und leben. Die Tragödie entsteht aus dem Alltag. Abgründe tun sich auf vor dem Hintergrund der scheinbar idyllischen Heimat.

Aber so viel Tragödie wie Ganghofer wollen viele Heimatkrimi-Autoren ihren Leserinnen und Lesern gar nicht zumuten. Ihre Krimis sollen unterhalten und amüsieren – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Weil ihre Personen wandelnde Klischees sind und die Geschichten, die sie erleben, oft simpel gestrickt, gibt es in vielen Heimatkrimis wenig Spannung, keinen Sog, der uns in die Geschichte zieht – denn wir wissen, wie es ausgehen wird. Die Leser aber lieben sie trotzdem.

CG

Marias Gewürzmischung

Jedes Jahr am 15. August wird in katholisch geprägten Regionen Maria Himmelfahrt gefeiert. Hierzu werden im Vorfeld Kräuter gesammelt, zu einem Bund geflochten und anschließend in der Messe geweiht. Dieser Brauch hat sich auch sprachlich niedergeschlagen: Das Fest wird auch Maria Würzweih oder Büschelfrauentag genannt.
Der Ursprung dieser Verbindung kann darin ausgemacht werden, dass Maria als „guter und heiliger Acker“ benannt und verehrt wird und Kräuter nicht nur wild wachsen, sondern auch vom Menschen kultiviert werden. Der oftmals starke Duft der Kräuter findet sich ebenfalls im christlichen Glauben wieder. Im Hohelied 2,1 heißt es, Maria sei eine „Blume des Feldes und Lilie in den Tälern“. Des Weiteren wird im christlichen Glauben, der das Fest spätestens seit dem 7. Jahrhundert feiert, auf den besonderen Duft verwiesen, als Christus Maria in den Himmel führte. Beim Öffnen Ihres Grabes seien zudem nur Rosen vorgefunden worden.

In Hinblick auf Ihre überlieferte Symbolik ist bei diesem Brauch die Auswahl und Anzahl der Kräuter von besonderer Bedeutung. Die gängigste Anzahl ist entweder 7 als Zahl der Schöpfungstage, Tugenden und Sakramente oder 9 als dreifache Wiederholung der Heiligen Dreifaltigkeit. Daneben werden aber beispielsweise auch 12 für die Anzahl der Apostel und die Stämme Israels oder 14 Kräuter für die heiligen 14 Nothelfer gebunden. Ebenfalls möglich sind Potenzierungen dieser symbolträchtigen Zahlen (24, 72 oder gar 99).
Häufig gebrauchte Kräuter sind Königskerze, die in der Regel das Zentrum des Büschels ist, Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Schafgarbe und Rainfarn. Diese historisch als Heilpflanzen gebrauchten Kräuter sind heutzutage nicht mehr allesamt gängig, wie der als giftig eingestufte Rainfarn zeigt. Strenge Beschränkungen bei der Auswahl und Zusammenstellung der Kräuter gibt es indes nicht, weshalb z. B. auch Gemüse, Blumen oder Getreide hinzugefügt werden kann.
Nachdem die Kräuterbüschel geweiht sind, bringt man sie für gewöhnlich im Herrgottswinkel oder Dachboden des Hauses oder im Stall an. Je nach Zusammensetzung des Büschels wurde dieser aber auch als Tee aufgekocht, dem Vieh ins Futter oder dem Saatgut fürs kommende Jahr beigemischt. Mit dem Brauch wurde also immer göttlicher Schutz, Heilung und/oder Fruchtbarkeit erbeten.

Angesichts der diesjährigen deutschlandweiten Dürre- und Hitzewelle, die voraussichtlich für enorme Ernteschäden sorgen wird, und des Klimawandels sollten sich die Menschen aber besser nicht nur auf die Wirkung der geweihten Kräuterbüschel verlassen und sich ehrgeizige Ziele im Senken der CO2-Emissionen setzen.

LS

Vom Sammeln

Sammlung von Comicfiguren

Bienen sammeln Honig, Fußballfans sammeln Panini-Bilder, unkritische Verbraucher Payback-Punkte und Oma Frieda sammelt Kaffeekannen, Puppen und Teddybären. Und was sammeln Sie?

Zu Beginn der Menschheitsgeschichte folgten Sammler einem Urinstinkt. Lange bevor unsere Vorfahren sich zu sesshaften Gesellschaften zusammenschlossen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben, sicherte das Sammeln von Früchten und Samen – zusätzlich zum oft launischen Jagdglück – den überlebensnotwendigen Nahrungsbedarf. Heute ist der Lebenserhaltungstrieb einer menschlichen Laune gewichen, die in einem breiten Spektrum von der Liebhaberei bis zur pathologischen Sammelwut auftritt. Das Sammeln ist zu einer ideellen Beschäftigung geworden, zur systematischen Suche, Beschaffung und Aufbewahrung von Dingen oder Informationen. Gejagt wird immer noch ausdauernd: nach fehlenden Einzelstücken zur Ergänzung des eigenen Sortiments.

Zum privaten Sammelsurium kommt das institutionalisierte Sammeln, das im Anlegen eines Fundus in Museen, Bibliotheken und Archiven besteht. Die Idee dazu fußt in den Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance und des Barock. Raritäten und Kuriositäten repräsentierten Kunstsinn und Vermögen der Fürsten und ließen ihre Gäste bewundernd und staunend in die Hände klatschen. Ob exotische Tierpräparate, feine Goldschmiedearbeiten und chirurgische Instrumente oder automatische Spieluhren und seltene Kristalle – allein der dafür verwendete Begriff des „Panoptikums“ zeigt, dass hier der Vielfalt und Phantasie kaum Grenzen gesetzt waren. Erst der vernunftbetonte Blick der Aufklärung begann die Dinge neu zu ordnen. Nun folgte der Sammeltrieb weniger der Leidenschaft für Kurioses als vielmehr naturwissenschaftlichem Erkenntnisstreben. Genaues Betrachten führte zu rationalem Begreifen. So gewonnene naturkundliche Erkenntnisse legten den Grundstein für wissenschaftliche Forschungen und späteren technischen Fortschritt.
Im 19. Jahrhundert lösten Museen mit mehr oder minder ausgefeilten Sammlungskonzepten die Kunst- und Wunderkammern als Lern- und Bildungsorte ab, wie die Gründungen des Germanischen Nationalmuseums 1853 und des Bayerischen Nationalmuseums 1855 zeigen. Das Sammeln erhält einen öffentlichen, gemeinnützigen Rahmen.

Allein die Sammlung macht noch kein Museum! Während Museen ihrem Selbstverständnis nach nicht nur sammeln, dokumentieren und konservieren, sondern auch für Wissensvermittlung und Forschung zuständig sind, folgt das private Sammeln seinen eigenen Regeln – und feiert dabei fröhliche Urständ‘! Einschlägige Internetforen verzeichnen bis zu 600 Sammlungsgebieten von Abenteuerroman und Adventskalender bis Zuckertütchen und Zündholzschachtel. Zwar wird Sammeln meist individuell betrieben. Vernetzt über Onlineforen, Sammlerbörsen und -zeitschriften sind Sammler aber auch als kollektives Phänomen wahrzunehmen. Für Kulturwissenschaften, Museologen und Psychologen sind sie damit selbst zum spannenden Studienobjekt geworden.

CLL

Schwein gehabt!

Drei schwarzbunte Bentheimer Ferkel

Angler Sattelschwein, Deutsches Cornwallschwein, Baldinger Tigerschwein, Bentheimer Landschwein, Hängebauch- und Wollschwein – eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Schweinerassen hat die Züchtung in den vergangenen 200 Jahren weltweit hervorgebracht. Doch wer von uns hat schon die große tierische Verwandtschaft des gemeinen Hausschweins im Blick, wenn selbiges als Sonntagsbraten mit rescher Schwarte und einer anständigen Portion Knödel und Krautsalat auf dem Teller liegt?

Wie grausig Meldungen und Berichte über Gammelfleisch, Massentierhaltung und Genmanipulation auch sein mögen, der Bayer und insbesondere der Niederbayer zeigt sich diesbezüglich relativ unbeeindruckt. Er bleibt dem Schwein – oder auf gut bayrisch der Sau – zumindest kulinarisch treu, besser gesagt: Er hat sie zum Fressen gern. Ob Schweinsbraten (wohlgemerkt mit Fugen-S, Schweinebraten gibt es nur nördlich des Weißwurstäquators), Bratwurst oder Schnitzel, das gemeine Hausschwein lässt sich in zahlreichen schmackhaften Varianten im wahrsten Sinne des Wortes ausschlachten. Schon in den mageren 1920er Jahren wurde diese Tatsache begeistert besungen – wie ein im Volkskulturarchiv des Bezirks zu findender Text aus Schönberg im Bayerischen Wald belegt: „Das Schwein ist äußerst nahrhaft, das ist für uns ein Glück! Wenn man es fleißig füttert, wird’s wuzelfett und dick. Man macht die besten Würste aus seinem edlen Blut, und kriegt den besten Schinken, wenn man es selchen tut.

Manch einer mag sich dabei vielleicht an seine Kindheit zurück erinnern, in der das meist vorweihnachtliche Saustechen noch zum Alltag auf den Dörfern und Einödhöfen gehörte. Denn während man im Oberland vornehmlich Weidewirtschaft  betrieb, hatte man sich im Unterland schon vor Langem auf Ackerbau und Schweinemast spezialisiert. Die Erfolgsgeschichte der niederbayerischen Landwirtschaft ist im sogenannten Schweinegürtel vom Rottal bis in die Hallertau eng mit dem rosigen Borstentier verbunden. Neben den Hopfen- und Körndlbauern bilden die ‚Saubauern’ die dritte Säule des landwirtschaftlich geprägten Regierungsbezirks. Trotz dieser tragenden Rolle gilt die Bezeichnung ‚Saubauer’ vielen auch als böse Beschimpfung, was daran liegen mag, dass man Schweinemastbetriebe seltener sehen oder hören als vielmehr oft schon von weitem riechen kann. Vielleicht hat hier aber auch die Regionalgeschichte ihre Spuren hinterlassen, die immer wieder von Rivalitäten zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern berichtet. So ist in der „Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern“ von 1860 zu lesen: „Nicht selten stehen ganze Dorfschaften ihren Nachbargemeinden im Kampfe gegenüber, man organisiert sich förmlich im Raufen; im Rotthale bestanden vor drei Jahrzehnten in den „Wiazenen“ und den „Schweinernen“ erbitterte Raufgesellschaften.

Das Schwein polarisiert – in Fragen der Tierhaltung und Fleischproduktion genauso wie im übertragenen Sinne. Kaum ein Tier taucht im Sprachgebrauch so häufig und so vielfältig bildhaft verwendet auf wie die Sau. Wenn der Schweinsbraten saugut war, stört uns weder das Sauwetter noch der saugrantige Tischnachbar. Eher schon die Saupreußen, die einem manchmal gar so saufreundlich daher kommen.

Dass der Kulturpreis des Bezirks Niederbayern 2018 an einen Schweinezüchter geht, der dennoch kein Saubauer ist und sein will, mag manchen verwundern. Doch wer sich vor Augen hält, dass Kultur eben nicht nur die edlen schönen Dinge wie Musik, Kunst und Literatur meint, sondern mindestens ebenso sehr Bodenständiges und Erdverwurzeltes wie Ackerbau und Viehzucht, der kommt an der Sau nicht vorbei. Ob er dies nun saublöd, saufrech, saukomisch oder saustark findet – das Borstentier juckt’s nicht.

CLL

Volkskunst oder Kitsch?

Eine Reihe bunter Gartenzwerge

Wenn eine Form der Kultur, die aus dem ‚Volk‘ oder der ‚Heimat‘ kommt, abgewertet wird, geschieht dies auffallend oft anhand des Kitschbegriffs. Es handelt sich dabei um einen Begriff, zu dem den meisten Menschen spontan ein Beispiel einfällt, weil er allgemein einfach das Gegenteil von Kunst bezeichnet und somit ausgehend vom eigenen Kunstgeschmack geäußert werden kann. Darüber hinaus fällt es den Befragten meist schwer, eine eindeutige Definition des Begriffs zu geben. Oftmals werden dann verschiedene negative Charakteristika aufgelistet, die nicht unbedingt in direkter Beziehung zueinander stehen. Es kann, um mit Henryk M. Broder zu sprechen, der Eindruck entstehen, dass „Kitsch die Griffigkeit einer Qualle, die Spannweite eines Regenbogens und die Eindeutigkeit eines Horoskop-Spruches“ hat.

Doch ganz aussichtslos ist die Lage nicht, da man mit dem Unoriginellen, dem Unwahren und der übertriebenen Sentimentalität Hauptmerkmale benennen kann, die in vielen Kitsch-konzeptionen wichtig sind. Ausgehend von ihnen lässt sich zur Ausgangsfrage zurückkehren. Der Volkskunst wird im Allgemeinen zugeschrieben, besonders wahrer Ausdruck alltäglicher Kultur zu sein. Gibt ein Werk vor, so zu sein wie ein anderes, ohne dessen kulturgeschichtlichen Entstehungsbedingungen zu teilen, liegt die Bewertung als Kitsch nahe. Der zeitweise angestrebte Neubau der „Burg Rothberg“, der die Burgen des Mittelalters nachahmen sollte‚ hätte sich beispielsweise nur dann vom Kitschvorwurf freisprechen können, wenn er sein Unechtsein eindeutig herausgestellt hätte. Für besondere Empörung hatte der Umstand gesorgt, dass dieser Imitation zudem noch eine handfeste Gewinnabsicht zu Grunde lag. Im Falle der Volkskunst ist die Empörung gegenüber der Imitation meist deshalb besonders groß, weil das Imitierte vermeintlich besonders wahr ist.

Neben den Merkmalen des Unoriginellen und Unwahren begünstigt die unumstößliche Verbindung, die Volkskunst zur Heimat – und damit zu einem oftmals sehr emotionalen Thema – hat, das Äußern der Kitschbewertung. Weint zum Beispiel jemand beim Ansehen eines Heimatfilms oder beim Anhören eines Volksmusikstücks hemmungslos, so macht er sich verdächtig, selbst dem Kitsch nahe zu stehen. Hieran zeigt sich deutlich, dass der wertende Begriff also nicht nur auf die Kunstschaffenden, sondern eben auch auf deren Publikum abzielen kann. Insofern weist er vielerlei Anknüpfungspunkte zum Umgang mit Volkskunst auf. Ausgehend von den aufgezeigten Verbindungslinien lässt sich also schon sagen, dass die Häufigkeit, in der der Kitschbegriff im Kontext der Volkskunst genutzt wird, nicht nur Zufall ist und mit der inhaltlichen Beschaffenheit der Volkskunst oft einhergeht.

LS

Heidelbeerwein – eine vergessene bayerische Spezialität

Wildheidelbeeren aus dem Bayerischen Wald

Im Landkreis Landshut spricht man überwiegend von den „Aiglbial“, in den Landkreisen Straubing-Bogen und Regen von den „Ha(o)ibal“ oder „Ha(o)iwal“ und in den Landkreisen Rottal-Inn und Passau von den „Hoabal“ oder „Hoawal“. In den Landkreisen Kelheim und Freyung-Grafenau kommt neben „Hoabal“ und „Ha(o)ibal“ jeweils in den nordwestlichsten und nordöstlichsten Gebieten noch der Begriff „Schwarzbial“ dazu. Unabhängig davon, wie sie genannt werden, erfreuen sich Heidelbeeren nach wie vor hoher Wertschätzung. In botanischer Hinsicht lässt sich zwischen heimischen Heidelbeeren und auf amerikanischer Genetik beruhenden Kulturheidelbeeren unterscheiden. Die heimischen Wildheidelbeeren haben gänzlich dunkel gefärbtes Fruchtfleisch, kleinere Früchte und schmecken intensiver als Kulturheidelbeeren. Im Handel werden fast ausschließlich letztere zum Kauf angeboten.

Da Heidelbeeren sehr gut auf dem sauren Boden der hiesigen Wälder wachsen, könnte man einfach ausschwärmen, suchen und die Körbe voll machen. Viele Menschen schrecken hiervor aber zurück, weil sie Angst vor dem Fuchsbandwurm oder der radioaktiven Verstrahlung seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl haben. Das ist schade, weil sich besagter Wurm durch das Erhitzen während der Saft- oder Marmeladenherstellung leicht abtöten lässt und laut Bundesumweltministerium bei normalen Verzehrmengen keine gesundheitliche Gefährdung durch die Radioaktivität zu befürchten ist.

Weitaus fleißiger gesammelt wurde noch gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In der Oberpfalz sorgten die Heidelbeeren zu diesen Zeiten sogar für ökonomischen Aufschwung: Der im niederbayerischen Auerbach geborene Dr. Adolf Pfannenstiel arbeitete in Regenstauf als Apotheker und begann 1878 mit der Produktion von Heidelbeerwein unter dem Markennamen D’ Schwarzbeer Resl. Das Etikett von Pfannenstiels damaligem Produkt, das eine glückliche Heidelbeer-Sammlerin mit prall gefülltem Korb zeigt, verklärt die Wirklichkeit. Die sogenannten „Beerenweiberl“ waren in früheren Zeiten nämlich oftmals arme Frauen, die sich durch das Sammeln und anschließende Hausierengehen Geld dazuverdienen wollten. Dr. Pfannenstiel war mit seinem Heidelbeerwein so erfolgreich, dass er den Einwohnern der Umgebung einen lohnenden Nebenverdienst schuf und die Produktion 1885 in eine große Fabrikhalle verlegen musste. Seinem Vorbild folgend sollen in dieser Zeit mehrere hundert Heidelbeer-Keltereien neu entstanden sein. Dass Heidelbeerwein auch im Privaten erzeugt wurde, belegt der Roman Herbstmilch der niederbayerischen Bäuerin Anna Wimschneider. Sie berichtet, dass Sekt und Wein bei ihr Zuhause unbekannt waren, ihre Tante jedoch Heidelbeerwein hergestellt hat.

Vielleicht haben ja auch Sie schon einmal einen Heidelbeerwein getrunken, ohne sich dessen bewusst zu sein: Manche Besitzer von Glühweinständen auf regionalen Christkindlmärkten ziehen den Heidelbeerwein nämlich dem sonst üblichen Rotwein vor.

LS

Tracht im Wandel

Mädchen mit Kindergoldhauben aus Mittich

Tracht bedeutete lange Zeit nichts anderes als Kostüm oder Kleidung. Das änderte sich im Lauf des 19. Jahrhunderts. Der bunte Festtagsstaat der ländlichen Oberschichten geriet zunehmend in den Blick von Bürgertum und Obrigkeit. Die Landbevölkerung wurde nicht länger mehr als tölpelhaft, rückständig und altmodisch gekleidet verachtet wie ehedem, sondern samt ihrer Kultur zum Inbegriff von Natürlichkeit stilisiert. Dies war die bürgerliche Antwort auf die fortschreitende „Verstädterung“ im aufblühenden Industriezeitalter.
Maler bereisten jetzt das Land und fertigten Genrebilder mit pittoresken Trachtenpaaren für Salons und biedermeierliche Wohnzimmer. Die romantische Vorstellung von den bäuerlichen Trachten als unveränderliche, den städtischen Moden trotzende Lokaluniformen verfestigte sich. Nicht zuletzt auch, weil die hübschen Bilder der späteren Trachtenpflege zur Inspiration und als Quellen dienten. Bis heute kann mit Trachten der Wunsch nach regionaler Identität zum Ausdruck gebracht und erfüllt werden.

Auch die Obrigkeit trug zum bayerischen Trachtenkult bei. Weil es dem jungen Königreich Bayern mit seinen neuen Landesteilen an „Nationalbewusstsein“ mangelte, sollten kulturpolitische Maßnahmen der Wittelsbacher Monarchen abhelfen. Anlässlich der Vermählung des Kronprinzen Ludwig mit Therese von Sachsen-Hildburghausen veranstaltete man am Namenstag von König Max I. im Jahr 1810 ein „Nationalfest“ mit Pferderennen und huldigenden Kinder-Trachtenpaaren aus allen bayerischen Kreisen. Dieses erste „Oktoberfest“ erfreute Herrscherhaus und Landeskinder gleichermaßen. Auf ihm gründen alle weiteren Volksfestkonzepte mit Trachtenumzügen, Blasmusik, Verköstigung, Vergnügungen, landwirtschaftlichen Leistungswettbewerben, Vieh-, Geräte- und Maschinenausstellungen. Erste Ableger gab es im Unterdonaukreis, dem heutigen Regierungsbezirk Niederbayern, bereits ab 1812 in Straubing, 1814 in Passau und später auch in Landshut.

Die Pflege der Volkskultur zählte insbesondere bei König Max II. zum innenpolitischen Programm. Bereits als Kronprinz ließ er Landeskunde und Volksleben erforschen. Die Ergebnisse erschienen ab 1860 im Monumentalwerk „Bavaria“. Mit einem „Trachtenerlass“ versuchte er sich ab der Jahrhundertmitte an der „Hebung bayerischen Nationalgefühls“. Seine Berater hatten deshalb über geeignete Maßnahmen zur Erhaltung und Belebung der Landestrachten zu sinnieren. Davon war allerdings eine zunehmend liberale Bevölkerung schwer zu überzeugen. Sie kleidete sich lieber modisch und bevorzugte industriell gefertigte Stoffe. Hier sollte schließlich eine ideologisch-emotionale Überhöhung Abhilfe schaffen: Trachtentragen wurde zum „Heimat-Bekenntnis“ umgedeutet, das Pfarrer und Lehrer als erzieherische Autoritäten dem Volk einzupflanzen suchten. Im 19./20. Jahrhundert ist dieses Gedankengut vor allem bei der bayerischen Trachtenbewegung auf fruchtbaren Boden gefallen. „Treu der Sitt, treu der Tracht“ hält man beherzt am Bekenntnis fest. Die postmoderne Gesellschaft legt indes einen spielerischen Umgang mit Trachten und deren Moden an den Tag.

MS
Bild: Toni Scholz