Gute Aussichten für einen aussichtslosen Fall: Das Wirtshaus „Zur Fels’n“ in Passau

Feuerwehrmann vor dem überschwemmten Gasthaus "Zur Fels'n"

Der Untergang der Stadt Passau: So heißt ein Fiction – Roman, erschienen 1975. Es war der größte schriftstellerische Erfolg, den Carl Amery (1922-2005), selbst ein Passauer, je verbuchen konnte. Die Handlung spielt in der 1980er Jahren. 30 Jahre später, im Hochwasser 2013, schien der Untergang der Stadt Passau Wirklichkeit geworden. Als sich die braunen Fluten verlaufen hatten, waren Opfer zu beklagen, Gott sei Dank nur Häuser, aber es waren viele kostbare Häuser dabei.

Zu diesen Opfern gehörte das ehemalige Wirtshaus „Zur Fels’n“ in der Ilzstadt. Wegen seiner Lage unmittelbar an der B 12 ist es eines der bekanntesten Gebäude der Stadt. Vor 500 Jahren zogen die Salzsäumer auf ihrem Weg von der Donau nach Böhmen dort vorbei. Den Namen „Zur Fels’n“ hat das Wirtshaus von dem mächtigen Gneisfelsen, an den es sich lehnt. Das goldene Zeitalter war das 19. Jahrhundert, als Elisabeth Weiß, die „Fels’n-Liesl“, ab 1868 dort die Wirtin war.

Hundert Jahre später, im Jahre 2012, starb die letzte Eigentümerin ohne Erben, und das Gebäude ging in den Besitz des Freistaats Bayern über. Wieder ein Jahr später stand die braune Flut im ersten Stock. Dass das Denkmal dem Freistaat gehörte, erwies sich jetzt als fatal: Interesse an einer Instandsetzung oder gar Nutzung bestand dort nicht, ebenso wenig bei der Stadt Passau.

Inzwischen hatten Bund, Land und private Spender Fluthilfemittel in Höhe von stolzen 160 Mio. Euro bereitgestellt. Alle Baudenkmäler wurden besonders großzügig gefördert, mit bis zu 80 Prozent der Instandsetzungskosten. Für das bedeutende Baudenkmal „Fels’n“ stand aber kein einziger Cent zur Verfügung, nur weil der Freistaat Bayern zum Zeitpunkt der Flut Eigentümer war: Schreibtisch-Logik und damit ein aussichtsloser Fall!

In dieser Situation taten sich im April 2016 fünzig engagierte Passauer Bürger zum gemeinnützigen Verein „Felsenfreunde Passau e. V.“ zusammen und erwarben die Flutruine für 16.000 €. Schon im Juli 2016 lag ein Instandsetzungs- und Nutzungskonzept vor. Notsicherungs- und Sofortmaßnahmen an Haupt- und Nebengebäude stoppten den weiteren Verfall. Die „Felsenfreunde“ werden im Obergeschoss des Haupthauses eine familiengerechte und bezahlbare Wohnung einrichten. Die ehemaligen Gasträume im Erdgeschoß werden ein Stadtteiltreff für die Ilzstadt und sollen für Vereins- und Familienfeiern, vor allem auch für Kulturveranstaltungen dienen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Mio. €. erforderlich. 250.000 Euro bringen die „Felsensfreunde Passau“ und ihre Unterstützer selbst auf. Dem Rest schultern Zuwendungsgeber: Freistaat Bayern, Bezirk Niederbayern, Bayerische Landesstiftung, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bayerische Volksstiftung. Der vor sechs Jahren aussichtslose „Fels’n“-Fall hat jetzt gute Aussichten!

EJG
Bild: Bayer. Landesamt für Denkmalpflege, Christof Stache

Solarfelder – Verschandelung oder Gewinn für die Kulturlandschaft?

Artenreiche Blumenwiese inmitten eines Solarfelds

Während Photovoltaikanlagen anfangs nur auf Dächern zu finden waren, sind sie immer häufiger auch in der freien Landschaft wahrnehmbar. Da dieser Anblick immer noch ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig ist, reden viele deshalb von einer „Verschandelung“ der heimischen Landschaft. Weil großflächige PV-Anlagen in Bayern überwiegend Äcker ersetzen, heißen sie auch Solar-Felder.

In den letzten Jahren lösten die gesunkenen Modulpreise eine regelrechte Antragsflut auf Äckern aus. Der Solarfeldboom führte zu einem Konkurrenzkampf um freie Flächen. In manchen Landkreisen wehren sich neben besorgten Bürgern daher auch flächenintensive Nutzer wie Schweinemäster oder Biomasseerzeuger vehement gegen großflächige Anlagen, weil sie in den Solarfeldern eine ernsthafte Flächenkonkurrenz sehen. Dabei wäre der in der BRD benötigte Stromverbrauch rein rechnerisch schon auf einer Gesamtfläche von ca. 4 %  zu gewinnen. Noch im 19. Jahrhundert, als Pferde statt Traktoren in der Landwirtschaft angesagt waren, betrug die Anbaufläche des Treibstoffs Hafer bis zu 30 % (!!) der damaligen Kulturlandschaft – eine heute schier unvorstellbare Fläche.

Gut gestaltete Solarfelder sind wertvoll. Sie leisten einen wirksamen Beitrag zum Boden- und Wasserschutz, sie sind rückbau- und recycelbar. Sie können Teil eines lokalen Biotopverbundnetzes sein und liefern wertvolle Erholungsflächen für Pflanzen und Tiere inmitten oft ausgeräumter bienenfreier Agrarsteppen. Einen wesentlichen Vorteil von Solarfeldern liegt darin, die oft recht problematischen Zerstörungen von gewachsenen ländlichen Dachlandschaften durch das hässliche Bepflastern mit Modulen zu vermeiden.

Lange sah es so aus, dass die Ära der Solarfelder auf Äckern in Deutschland so rasch endet wie sie begann, weil die Bundesregierung die Subventionen seit Jahresmitte 2010 komplett gestrichen hat. Bayern als Sonnenland Nr. 1 wartet jetzt auf eine 2. Welle der Solarfelder, um die Klimaschutzziele zu erreichen, weil sich Solarstrom inzwischen auch ohne Subventionen kostengünstig erzeugen lässt.

Was tun, um das zum Teil noch negative Bild von Solarfeldern in der Öffentlichkeit zu verbessern? Wäre es nicht eine lohnende Maßnahme, jährlich das „Solarfeld des Jahres“ zu küren? Umweltministerium, Solarwirtschaft, Naturschutzverbände und Kommunen könnten eine kompetente Jury zusammenstellen, die anhand einer transparenten Kriterienliste aus bereits realisierten Anlagen besonders vorbildliche prämiert. Begleitende Ausstellungen und Dokumentationen zeigen, dass gut geplante und gebaute Solarfelder durchaus zur Schönheit und Vielfalt der modernen bayerischen Kulturlandschaft in Zeiten des Klimawandels und Energiewende beitragen.

HW
Bild: Helmut Wartner

Heimat geht durch den Magen

Auswahl an Wurzelgemüse und Obst

Man kann über Heimat lange reden. Heimat ist ein kulturelles und – wie man wieder beobachtet – ein hoch politisches Thema. Der Heimatbegriff ist vielfältig und wandelbar. Dies macht ihn interessant, anpassungsfähig für Anschauungen, aber stets auch anfällig für politische Ideologien. Deshalb kommt es darauf an, mit welchen Inhalten man den Begriff füllt, wie man Heimat definiert. Bleiben wir bei der Kultur, und zwar beim Begriffspaar „Heimat und Kultur“. Kulturell hat die Heimat viel zu bieten – auch, aber nicht in erster Linie im „hochkulturellen“ Sinn. Wo Kultur über die klassischen Kunstdisziplinen hinaus gedacht wird, gelangt man schnell zur ursprünglichen Bedeutung von Kultur, nämlich zur Kultivierung des Ackerbodens und Gewinnung von Lebensmitteln. Darin ist wohl unbestritten die wichtigste Kulturleistung in der Menschheitsgeschichte zu erblicken. Ohne sie wäre Leben, wäre Überleben nicht möglich.

Heutzutage geht es nicht mehr ums Überleben. Zumindest hierzulande. Sehr wohl stellen sich aber viele Menschen die Frage, wie sie leben bzw. was sie konsumieren wollen. Gesunde Ernährung spielt eine immer größere Rolle, je mehr globale Nahrungsmittelkonzerne um sich greifen, die Kritik an industrieller Nahrungsproduktion lauter wird und ständig neue Lebensmittelskandale Unbehagen bereiten. Hier kommt die Heimat mit ihren regionalen Produkten und Kreisläufen ins Spiel.

In Passau gründete jüngst eine Handvoll Uniabsolventen, fachlich begleitet von ihrem Professor, ein Startup. Name und Programm in einem Satz zusammengefasst lauten: Regiothek – Finde Lebensmittel, die dir schmecken und entdecke, wo sie herkommen. Was steckt genau dahinter? Die Regiothek versteht sich als Kommunikationsplattform für die Welt der Lebensmittel jenseits der Supermarktregale. Sie will kleine Betriebe aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Gastronomie „sichtbar machen“. Deshalb sollen solche hier ihr individuelles Angebot präsentieren können und so die notwendige Präsenz in der modernen Welt erlangen. Zugleich können die Nutzer wie in einer Bibliothek gezielt nach den Angeboten suchen: Wo bekomme ich Milch, Eier, Kartoffeln oder Gemüse direkt vom Erzeuger? Wo wird in meiner Umgebung noch handwerklich gebacken und gekäst, mit Achtung vor dem Tier geschlachtet oder Feinkost aus regionalen Zutaten hergestellt? Wo kaufe ich Lebensmittel mit Charakter und Geschichte – und mit möglichst wenigen Zusatzstoffen? Und in welchem Lokal finde ich auf der Speisekarte, was genau in dieser Gegend wächst und gedeiht?

Auf diese Weise bleibt Heimat nicht nur Kopfsache. Denn jenseits aller philosophischen und politischen Debatten ist Heimat ist hohem Maße eine Herzensangelegenheit. Und wie die Liebe geht sie durch den Magen.

MS

Stille Feiertage oder Heidenspaß

Detailaufnahme leuchtende Kerzen

Hierzulande gibt es mit Aschermittwoch, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Allerheiligen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag und Heiligabend insgesamt neun gesetzlich geschützte Stille Feiertage, an denen aus sittlichen und religiösen Gründen Tanzverbot herrscht. Öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen sind laut bayerischem Feiertagsgesetz nur dann erlaubt, wenn der ernste Charakter, der diesen Tagen entspricht, gewahrt bleibt. Letzteres gilt auch für Musikdarbietungen. Außer am Karfreitag, an diesem Tag ist jegliche Musik in Räumen mit Schankbetrieb verboten.

Auch heuer berichteten etliche Medien um den Karfreitag herum wieder über das mittlerweile strittige Tanzverbot an den Stillen Feiertagen. Federführend befeuert wird diese Debatte seit Jahren vom Bund für Geistesfreiheit. Dieser nämlich hält die kirchlichen Feiertage, an denen das Tanzen untersagt ist, für nicht mehr zeitgemäß. Damit werde die bürgerliche Freiheit eingeschränkt. Deshalb protestiere man mit sogenannten Heidenspaß-Partys. Darüber hinaus wolle man unter Berufung auf einen weltlichen Humanismus mit einer demokratischen, nicht-religiösen und ethischen Lebensauffassung die Privilegien, welche die beiden christlichen Kirchen genießen, nicht länger akzeptieren.

Einen Teilerfolg hat die säkulare Weltanschauungsgemeinschaft mit ihren knapp 5.000 Mitgliedern in Bayern durch Klage bereits errungen: Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2016 das generelle Tanzverbot am Karfreitag, also den Ausschluss jeder möglichen Ausnahme, für unverhältnismäßig. Grundsätzlich bedeute dieses Urteil aber keineswegs, dass jede „Karfreitags-Party“ genehmigt werden müsse, so die Richter.

Rund 13 Millionen Einwohner zählt Bayern. Mit immerhin 54,8 Prozent seiner Einwohner ist der Freistaat überwiegend katholisch geprägt. Der Anteil der evangelischen Christen beträgt 20,7 Prozent. Beide christliche Konfessionen zählen über zehn Millionen Menschen. Nachdem die Stillen Feiertage von einer konfessionslosen Minderheit umstritten werden, stellt sich die Frage, ob das demokratische Mehrheitsprinzip funktionieren und wie der Großteil der bayerischen Bevölkerung mit seinen christlich überlieferten Feiertagen in Zukunft umgehen wird. Diese wurden schließlich nicht aus und zur Gaudi installiert. In ihrer Bedeutung sind sie nicht mit beliebig gestaltbaren Urlaubstagen zu verwechseln, ebenso wie christliche Lebensbejahung und Sinnfindung nicht durch Heidenspaß-Veranstaltungen konterkariert werden können. Feiertage dienen der geistigen Ausrichtung, der Erinnerung und Erbauung und sollen angemessen begangen werden. Erst wenn dieser gesellschaftliche Konsens über ihren tieferen Sinn nicht mehr bestünde, dann, aber nur dann, müsste man sie konsequenterweise abschaffen und zu gewöhnlichen Arbeitstagen umfunktionieren. In diesem Fall würde sich wohl auch der Heidenspaß aufhören.

MS

Der Osterhase und das Ei

zwei Meißener Widder, eine alte Hasenrasse

Der eierlegende Osterhase erlebte um 1800 seinen Durchbruch, und zwar zunächst bei protestantischen Bürgerfamilien im städtischen Umfeld, bevor er in den 1930er-Jahren die Konfessionsgrenzen, auch ins bäuerlich geprägte Niederbayern überschritt. Seine unaufhaltsame Karriere verdankte er schließlich Kinderliteratur des frühen 20. Jahrhunderts und der boomenden Süßwarenindustrie. Dies weiß man hierzulande nur zu gut, denn nirgendwo werden mehr Schokohasen produziert als in Landshut.

Wie der Hase zu einem profanen Ostersymbol geworden ist, zeigt ein Blick in die Kulturgeschichte: Er kommt zwar weder in der österlichen Liturgie noch im religiösen Brauch um das Osterfest vor, dennoch taucht Meister Lampe seit Jahrhunderten über Länder- und Religionsgrenzen hinweg als Symbolfigur auf. Schon in der Antike galt der Hase seiner Fruchtbarkeit wegen als Sinnbild für Lebenskraft und Wiedergeburt. Im Alten Ägypten stand er als Attribut des Mondgottes Thot für den Neuanfang. Daraus erschließt sich eine Verbindung zum Osterfest, denn in der byzantinischen Kirche steht der Hase als Symbol für die Auferstehung. Weil er als Fluchttier häufig mit offenen oder halbgeschlossenen Augen ruht, lieferte er das Bild dafür, dass Jesus durch seinen Tod am Kreuz nicht entschlafen, sondern im Leben geblieben ist. Es verwundert daher nicht, wenn sich Hasen als Zeichen ewigen Erwachens auf frühchristlichen Mosaiken und Gräbern finden. Ein Gemälde des venezianischen Renaissancemalers Tizian zeigt die Madonna mit dem Jesusknaben und einem weißen Hasen. Während ein Korb mit Brot und Wein im Bildvordergrund auf den Opfertod Christi verweist, deutet das Tier die Auferstehung an. Etwa zeitgleich entstand das berühmte Hasenfenster im Kreuzgang des Paderborner Doms: Es zeigt drei springende Hasen, in Kreisform angeordnet, sodass jedes Tier seine zwei Ohren hat, aber das Motiv mit nur drei Ohren auskommt. Daraus ergibt sich ein Dreieck, das die Dreifaltigkeit symbolisiert und zugleich ein Symbol für die Unendlichkeit ist.

Dieses populäre Dreihasenbild war ein beliebtes Ostereimotiv, das die ohnehin schon religiöse Symbolik der gefärbten Ostereier zusätzlich betonte. Nachdem es zu Ostern Eier mit Hasenmotiven gab, lag es umgekehrt nahe, dass der Hase an Ostern die Eier brächte. Einen ersten schriftlichen Hinweis auf „Haseneier“ lieferte der Heidelberger Arzt Johannes Richier in seiner Doktorarbeit von 1682. Er spricht darin über Erkrankungen nach unmäßigem Verzehr von Ostereiern, die allgemein „Haseneier“ genannt wurden. Ebenso erwähnt Richier den Osterhasen. Man würde nämlich Kindern und einfältigen Menschen einreden, dass dieser die Eier brächte.

„Im greana, greana Gras, da sitzt a scheena schneeweißa Has“, so lautet der Textanfang eines überlieferten Zwiefachen aus Niederbayern. Tatsächlich lebt der Feldhase im Gegensatz zum Wildkaninchen oberirdisch. In der Sasse, einer selbstgeschaffenen, nestähnlichen Mulde findet er seinen Unterschlupf und verharrt dort gut getarnt. Wüsste man es nicht besser, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass er hier auch Eier legt.

MS

Josef, lieber Josef mein…

Am 19. März ist Josefstag! An Josefi, wie das Hochfest des Hl. Josef in Bayern kurz genannt wird, feiern Josef, Sepp, Beppo, Jupp, José und Giuseppe, Joe, Josip, Jozsef und Jussuf gemeinsam Namenstag. Kaum ein anderer männlicher Vorname ist in so vielen Sprachen und Nationalitäten verbreitet. Biblischen Ursprungs hat sich der Name Josef, der im Hebräischen in etwa „Gott fügt hinzu, Gott vermehrt“ bedeutet, mit dem jüdischen und christlichen Glauben in die Welt verbreitet.

Die christliche Verehrung des heiligen Josef, Bräutigam der Gottesmutter und Ziehvater Jesu, entwickelte sich im Mittelalter. Nach seinem in der Bibel überlieferten Beruf als Zimmermann war er vor allem als Schutzpatron der Handwerker, insbesondere der Zimmerleute und Schreiner, angesehen. Aber auch als Patron der jungfräulich lebenden Menschen und Eheleute wurde er verehrt.
1870 erklärte Papst Pius IX. den Hl. Josef zum Schutzpatron der ganzen Kirche. Damit wurde der Heilige populär wie nie zuvor. Vor allem im 20. Jahrhundert wurden ihm allerorten katholische Kirchen geweiht. Dort ist er zumeist mit seinen Attributen, einem Winkelmaß für seinen Beruf als Zimmermann und der weißen Lilie, einem Symbol der Keuschheit und Reinheit, dargestellt.
In dieser Zeit war der Hl. Josef auch als Namensgeber überaus geschätzt. Generationen von Buben und Männern wurden nach dem in der Überlieferung so lebensnah inszenierten Heiligen benannt. Der Vers „Sepp, Sepp, sag’s am Sepp’n, dass da Sepp am Sepp’n sagt…“ spiegelt die Häufigkeit dieses Vornamens wieder, der bis heute vor allem im Südosten Bayerns beliebt geblieben ist.
Einen Einbruch erfuhr die Josefsverehrung in Bayern mit der Abschaffung des 19. März als gesetzlichen Feiertag im Jahr 1968. Den Älteren unter uns ist der Josefitag dennoch fest in Erinnerung – nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Bauern- und Wetterregeln, die im Ländlichen überliefert werden: „Wenn’s erst einmal Josefi is‘, so endet auch der Winter g’wiss!“ – man wird sehen…

CLL
Bild: Freilichtmuseum Finsterau

Wischen oder wissen?

Kind schreibt auf einer Schiefertafel in der historischen Schulstube des Freilichtmuseums Massing

Einfach übers Smartphone oder Tablet wischen – und die neue Nachricht erscheint am Touchscreen. Praktisch. Schnell. Mit einem Wisch. Und: Weg ist sie auch schon wieder. „Digitalisierung“, ein Schlagwort, das derzeit ständig in den Nachrichten auftaucht, lässt uns nicht mehr los. Die Digitalisierung verändert unser Leben wie kaum eine gesellschaftliche Entwicklung zuvor. Im Alltag schreiben immer weniger Menschen mit der Hand. Doch für besondere Anlässe greifen sie – anstatt E-Mails auf dem Laptop oder auf dem Handy tippen – zu Papier und Stift. Die eigene Schrift gehört zu unserer Identität, vermittelt Persönliches und Nachhaltigkeit.

Schreiben – diese Jahrtausende alte Kulturtechnik erschließen sich Schulanfänger in kleinen Schritten; in Bayern zuerst in Druckschrift, später in Schreibschrift. Am Ende der vierten Klasse sollen sie eine individuelle Handschrift gefunden haben, die sie flüssig und leserlich schreiben können. So steht es in den Bildungsstandards für die Grundschule.

Schreiben versetzt uns Menschen in die Lage, Wissen zu bewahren und Erfahrungen zu überliefern. Die Digitalisierung verändert jedoch auch das Lernen und das Schreibenlernen maßgeblich. In Finnland arbeiten beispielsweise bereits Grundschüler mit Tablet, erlernen das Schreiben auf der Tastatur.  Ihr Abitur absolvieren finnische Schüler am Laptop. Der Einsatz digitaler Medien im Schulunterricht wird seit Jahren auch in Deutschland heftig diskutiert. Das Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien an der Technischen Universität München hat 2017 im Auftrag der Kultusministerkonferenz 79 Studien ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis: Die Wirkung der digitale Materialien auf die Leistung davon ab, wie sie im Unterricht eingesetzt werden. Die erwünschte Wirkung digitaler Medien ist beispielsweise größer, wenn sie klassische Unterrichtsmaterialien nicht vollständig ersetzen. Erfolgversprechend sei, sie ergänzend zu analogen Methoden zu verwenden.

Ergebnisse mehrerer Studien bescheinigen zudem dem auf Papier Geschriebenen stärkere Nachhaltigkeit: Die US-Forscher Pam Mueller und Daniel Oppenheimer haben die Lernleistungen von Studierenden untersucht. Mit folgendem Resultat: Wenn sich die Probanden zum Inhalt verschiedener Lernvideos handschriftliche Notizen gemacht hatten, konnten sie das Gezeigte später deutlich besser wiedergeben als wenn sie ihre Aufzeichnungen mittels Laptop angefertigt hatten.

Alles, was wir mit einem Stift zu Papier bringen, behalten wir also stärker in Erinnerung. Darüber hinaus trainiert das Schreiben mit dem Stift zusätzlich zur Gedächtnisleistung auch Hände und Bewegungsabläufe. Aber dieses Training findet im Kindesalter immer weniger statt. Denn anstatt gemalt oder gebastelt wird immer mehr mit Laptop oder Smartphone gespielt. Dies zeigen auch jüngste Untersuchungsergebnisse aus den USA und Großbritannien: Sie besagen, dass immer mehr Kinder Schwierigkeiten hätten, Stifte richtig zu halten. Die dafür benötigte Fingermuskulatur würde teilweise ebenso fehlen wie die fürs Schreiben erforderliche Feinmotorik. Vielen Kindern falle es schwer, längere Texte zu verfassen, ohne dass ihnen der Arm oder die Hand wehtue.

Bei all den digitalen Nachrichten sollte also nicht weggewischt werden: Handschriftliche Aufzeichnungen legen den Grundstein, sie sind gut für Feinmotorik und Gedächtnis. Sie lassen Sachverhalte begreifen und nachhaltig Wissen festhalten. Sie vermitteln zudem Persönlichkeit, denn unsere Handschrift ist ein Ausdruck unserer Individualität, ein unverwechselbares Markenzeichen.

KSH
Bild: Freilichtmuseum Massing

Fastenzeit

Alle Jahre wieder beginnt am Aschermittwoch die Fastenzeit, in der sich Christen 40 Tage lang auf das Hochfest Ostern vorbereiten. Der Bibel nach fastete Jesus 40 Tage lang in der Wüste, bevor er seinen Leidensweg antrat. Ein symbolisches Nachahmen dieser „Durststrecke“ soll uns daran erinnern und in die österliche Festzeit einstimmen. Aber Fastenzeiten gibt es auch in anderen Religionen und Kulturen. Überall dienen sie dazu, Buße zu tun und sein Verhalten zu überdenken.

Früher waren die Fastenregeln streng. Entsprechend fröhlich und genussreich feierte man die Faschingstage vor dem Aschermittwoch. Das Wort „fasten“ bedeutet sinngemäß „festhalten“ oder „fest bleiben“. Somit geht es beim Fasten um mehr als Enthaltsamkeit von Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol. Wer fastet, übt Verzicht und konzentriert sich auf Wesentliches, sei es aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen. Wer sich nicht (mehr) an religiöse Gebote und die Termine des Kirchenjahres halten mag, wählt seine ganz persönliche Fastenzeit. Das Prinzip bleibt gleich: Nur, wer auf Liebgewonnenes, Wertgeschätztes und alltäglich Gebrauchtes verzichtet, übt echte Enthaltsamkeit. Darum bringt die Moderne neue Formen des Fastens hervor: Kleider fasten, Handy fasten etc.

Im religiösen Kontext kennen Katholiken die Tradition der „Fastensuppe“. In den Pfarreien werden einfache Speisen zubereitet und gegessen. Der Erlös unterstützt Projekte in Entwicklungsländern. Manch einer mag sich daran stören, dass durch ein mehrgängiges gemeinschaftliches Mahl der Hunger in der Welt gelindert werden soll. Aber vielleicht heiligt hier tatsächlich der Zweck die Mittel?

MS/CLL
Illustration: Anja Just

Das Erbe eines Lumpensammlers

Buchmalerei: Darstellung der Dreifaltigkeit

1914 erwarb der Kunstmaler und Heimatkundler Hugo von Preen aus Braunau am Inn zwei Liederhandschriften des späten 18. Jahrhunderts von unbekannter Hand. Sie wurden nach ihrem Auffindungsort als Stubenberger Handschriften bezeichnet. Von wem er sie bekam, ist nicht dokumentiert. Wir wissen lediglich, dass er sie 1930 für 700 Mark an die Bayerische Staatsbibliothek veräußerte, wo sie unter den Signaturen Cgm 7340 für das Gesänger Buch und Cgm 7341 für das Geistliche Zeitten Buch in der Handschriftenabteilung verwahrt werden. Um die Entstehungs- und Auffindungsgeschichte der gut 1000 Seiten und über 800 Liedtexte umfassenden, liebevoll mit Bildern verzierten Bände rankten sich seitdem Mythen.

Erst vor wenigen Jahren konnte schließlich der Verfasser beider Handschriften identifiziert werden: Es handelt sich um Phillipp Lenglachner (geb. 1769 in Weng im Innkreis, gest. 1823 in Stubenberg), einen Hadern- oder Lumpensammler. Gebrauchte Hadern aus Baumwolle, Leinen, Hanf oder Flachs wurden in jener Zeit zur Herstellung von Papier verwendet und waren daher in den Papiermühlen ein gefragter Rohstoff. Die Bezeichnung „Haderlump“ für die oft lauthals durch die Dörfer ziehenden Lumpensammler hat sich bis heute erhalten.

Vermutlich trug Lenglachner die Liedtexte auf den Streifzügen durch das Rottal und angrenzende Innviertel zusammen. Durch seinen Beruf kam er viel herum, und da er offenbar eine gewisse Bildung besaß, lesen und schreiben konnte, wusste er die zahlreichen Eindrücke schriftlich festzuhalten. Ein wissenschaftliches Interesse wird er dabei kaum verfolgt haben, wohl aber, die Texte zum eigenen Gebrauch zu bewahren. Neben geistlichen und weltlichen Liedtexten enthalten die Handschriften auch Gebete zu den Festzeiten des Kirchenjahres, Prosatexte, Verse, Rätsel und volksmedizinische Rezepte.

Zutage kam die Person Lenglachners durch Forschungen des Germanisten Thorsten Fromberg aus Kiel. Er befasste sich in seiner Dissertation mit dem so betitelten Schreÿbbuech, einer dritten, signierten Handschrift, mithilfe der die anderen beiden durch Schriftvergleich demselben Verfasser zugeordnet werden konnten.

Nun liegt nach vielen Jahren Arbeit die Übertragung der beiden Liederhandschriften aus Stubenberg vollständig als Edition in drei Bänden vor: Sie umfasst das Geistliche Zeitten Buch sowie das Gesänger Buch in zwei Teilbänden für die Geistlichen und die Weltlichen Gesänger. Erschienen ist sie in der Schriftenreihe des Instituts für Volkskunde der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München (Tel. 089 515561-3, post@volkskunde.badw.de).

Seit langem schon beschäftigt sich der Gangkofener Heimatforscher Willibald Ernst mit den kostbaren Handschriften. Er hat die Texte, die in heute nicht mehr gebräuchlicher und zudem wegen gewisser Eigenheiten schwer leserlicher Kurrentschrift verfasst sind, in mühevoller Kleinarbeit transkribiert. Dank ihm ist eine der größten und bedeutendsten Quellen dieser Art in Bayern nun allen zugänglich.

Wer einige der Texte heute noch dem ursprünglichen Zweck entsprechend nutzen möchte, dem sei eine praktische Singausgabe ans Herz gelegt. Die Publikation Geistliche Lieder aus den Stubenberger Handschriften, erschienen beim Kulturreferat des Bezirks Niederbayern (Tel. 0871 97512-730, kultur@bezirk-niederbayern.de), umfasst drei Bände und deckt thematisch den gesamten Kirchenjahreskreis ab.

PhO

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr?

Nahaufnahme Harmonikaspieler

Längst ist es kein Geheimnis mehr, wie sehr Musik die Entwicklung des Menschen fördert. Sie lässt die Verbindungen zwischen den Nervenzellen beider Gehirnhälften besser wachsen, fördert Konzentration und Kommunikation. Dabei, so das Ergebnis wissenschaftlicher Studien, ist es besonders wichtig, selbst aktiv zu werden, zu singen oder ein Musikinstrument zu spielen. Langzeitstudien an Grundschülern zeigen, dass die Kinder bei einer musikalischen Betätigung von wenigen Wochenstunden ihre Intelligenzleistungen, v.a. das räumliche Vorstellungsvermögen, verbessern, dass sie aufnahmefähiger, sozial kompetenter und selbstbewusster auftreten. Mancherlei Dinge, die musikalischer Betätigung zugeschrieben werden, erscheinen durchaus verwunderlich: Sie schütte Glückshormone aus, beruhige Babys und steigere sogar die Milchproduktion von Kühen.

Viele Menschen verspüren in der Lebensmitte oder im Rentenalter den verstärkten Wunsch nach musikalischer Aktivität. Ihre Beweggründe sind unterschiedlich: Da gibt es die langjährige Sehnsucht, ein Instrument zu spielen, wenn es in der Kindheit nicht erlaubt wurde. Auch die Muße spielt eine Rolle, die während eines Alltags gefüllt mit Arbeit und Kindererziehung zu kurz kam. Ebenso wird der Wunsch nach Gemeinschaft genannt, wenn man im Ensemble zum Gelingen eines Ganzen beitragen kann und miteinander ein Musikstück zum Klingen bringt. Den Spätbeginnenden kommt zudem die Gelassenheit zugute, die man im Alter entwickelt. Man lernt zur eigenen Freude, muss sich nicht mehr beweisen und es auch nicht zur Perfektion bringen.

Während gerade an Grund-, Haupt- und Mittelschulen der Ausfall zahlreicher Musikstunden zu beklagen ist, reagieren Musikschulen und Institutionen der Musikpflege auf die Nachfrage seitens der älteren Generation: Freizeitangebote mit Volksmusik- und Klassikseminaren richten sich an Laienmusiker. Geübte Referenten schaffen es dabei, jede Stufe des Könnens so in eine Gruppe zu integrieren, dass jeder seine musikalische Rolle findet. Ebenso werden freie Spielkurse angeboten, denen man sich ganz zwanglos anschließen kann. Durch die Ensembleangebote werden Hemmschwellen überwunden, denn in der Gruppe richtet sich der Fokus nicht auf den Einzelspieler. Im Vordergrund stehen vielmehr der Gesamtklang und das Gruppenerlebnis. Auch der Bezirk Niederbayern knüpft mit seinen Angeboten daran an: Die Musizierreihe „Spiel mit!“ lädt dazu ein, einen Abend lang jeweils eine volksmusikalische Gattung aus regionaler Überlieferung – z.B. Zwiefache, Ländler oder Arien – kennenzulernen. Jeder Instrumentalist kann daran teilnehmen, auch ohne volksmusikalische Vorkenntnisse. Ebenso plant die Volksmusikakademie in Bayern, die derzeit in Freyung entsteht, interessante Angebote, die auch Neueinsteiger am Instrument zum gemeinsamen Musizieren einladen.

Auch spätberufen kann man also getrost zur Steirischen oder Gitarre greifen. Mit musikalischer Aktivität lassen sich zwar keine besseren Menschen schaffen, sicher jedoch Eigenschaften und Begabungen vertiefen, die schon angelegt sind. Und Musizieren macht Spaß – die eingangs erwähnte These von den Glückshormonen wird jeder bestätigen, der sich musikalisch betätigt. Hans lernt zur eigenen Freude also sehr wohl, was Hänschen vielleicht versäumt hat!

 

VK