Stadtplanungsämter versuchen in der Regel am sogenannten „grünen Tisch“ Ordnung in das menschliche Chaos von bebauten Siedlungen und Stadtteilen zu bringen. Deshalb erstellen sie Bebauungspläne. Doch die Nagelprobe ist immer erst dann gegeben, wenn ein Investor versucht, seine Vorstellungen mit den aktuell geltenden Baunormen in Einklang zu bringen.
Ein Paradebeispiel ist das Projekt Jägerwirt im ehemaligen Gewerbe- und Arbeiterviertel Nikola in Landshut. Die Planung aus dem Jahr 2009 sah zwei drei- und zweistöckige Neubauten, fünf Großbäume und einen reizlosen Parkplatz für 12 (!) PKWs südlich des Bestandsgebäudes vor, das unter Denkmalschutz steht. Vor kurzem hat ein Münchner Architekt nach der viel gelobten Sanierung eines mittelalterlichen Holzblockbauses in der Pfettrachgasse das schräg gegenüberliegende Grundstück mit dem ehemaligen Jägerwirt erworben. Sein Ziel ist, eine Kombination aus Wohnen, Arbeiten und Genießen inmitten von denkmalgerecht sanierten Gemäuern. Dies wurde möglich durch eine Modifizierung der Ursprungsplanung: Der Innenhof hat jetzt mit drei Linden und einem Apfelbaum, einer kleinen Gartenfläche mit Gemüsehochbeet und nur sparsam gepflasterten Randzonen eine hohe Aufenthaltsqualität. Die Halbierung der Stellplätze und dafür ausreichend Stellfläche für Fahrrad- und Lastenräder dokumentieren den Bewusstseinswandel: Nicht das Auto dominiert den Freiraum, sondern die innerstädtische Lebensqualität für Natur und Mensch! Die komplette vorhandene Bausubstanz wird erhalten und umgebaut. Dafür gibt es keinen Abriss und Neubauten – wie noch 2009 geplant. Im Kontrast dazu steht die südlich angrenzend Neubebauung: eine Durchschnittsinvestoren-Architektur mit PKW-Wüste – ohne Baum, ohne bespielbare Freiflächen; trotzdem genehmigt und abgesegnet.
Das Beispiel zeigt: Baukultur ist zuvorderst vom jeweiligen Bauherrn oder von der Bauherrin abhängig. Geht es um maximalen Profit oder um einen Beitrag zur Baukultur, um einen Impuls, der ausstrahlen kann auf seine Umgebung? Die wiederbelebte Wirtschaft im Jägerwirt mit dem Namen „Il piccolo Cacciatore“, die vor kurzem samt geschmackvoll möbliertem Innenhof eröffnet hat oder das kleine kulturelle Zentrum in dem schräg gegenüberliegenden, mittelalterlichen Holzblockbau mit vielen verschiedenen Veranstaltungen („Zur Gastgeb“) verdeutlichen: Ein geglücktes Zusammenspiel von städtischen Behörden, Architekt samt Fachplanern und versierten Handwerkern ist möglich. So kann ein polyfunktionales kleines Zentrum inmitten eines reinen Wohngebietes entstehen, das fußläufig von der Nachbarschaft nutzbar ist.
Helmut Wartner
Foto: Peter Litvai