Blaue Augen zu haben war für einen Römer das Schlimmste, ein schrecklicher Schönheitsfehler. Für die Farbe Blau hatten die Römer, und auch die Griechen, nicht einmal ein Wort. Denn Blau, das war die Farbe der Barbaren, die Kriegsbemalung der Germanen und Kelten.
Die drei Grundfarben der Antike waren Weiß, Schwarz und Rot. Das lag auch daran, dass sich damit Kleider sehr leicht färben ließen. Mit Blau, Grün und Gelb war das nicht so einfach.
Farben sind Symbole, hinter ihnen verbirgt sich immer etwas, ein Code: Rot war die Farbe der Könige, Weiß die Farbe der Reinheit und Schwarz die Farbe der Trauer. Auch die Christen haben das übernommen: Weiß für die Hochfeste, Rot für das Blut Christi und Schwarz für Trauer, Buße und Fastenzeit, dazu kam Grün als Alltagsfarbe, wenn Weiß, Rot oder Schwarz nicht angebracht waren. Von Blau keine Spur. Und das ist noch heute so. Oder haben Sie schon einmal einen Pfarrer im blauen Messgewand gesehen? Das heißt nicht, dass es blau nicht gegeben hat. Blau war die Farbe der Bauern, der unteren Stände.
Im Mittelalter war blau voll im Trend. Blau war d i e Modefarbe! Warum? Die Menschen wollten immer größere, immer prächtigere Kirchen bauen. Das Vorbild war das himmlische Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes, in dem es nur so blinkt glitzert. In der Offenbarung des Johannes wimmelt es nur so von Zahlensymbolen: Die 12 Edelsteine, die die Stadtmauer schmücken stehen für die 12 Apostel und die 12 Stämme Israels. Und bei diesen 12 Edelsteinen darf natürlich einer der schönsten, der Saphir, nicht fehlen. „Seine Anmut ist heilig und lässt das Licht Gottes in die Kirche strömen“ lesen wir in den Schriften von Abt Suger. Von da an beginnt der Siegeszug der Farbe Blau. Auf einmal gibt es blaue Kirchenfenster, Marienfiguren werden mit blauem Kleid dargestellt, es tauchen blaue Wappen auf und blau wird die Farbe des Königs von Frankreich.
Bis zum Mittelter hat sich auch in der Dichtkunst alles um die drei althergebrachten Farben Rot, Weiß und Schwarz gedreht. Ein gutes Beispiel ist die Geschichte vom Rotkäppchen; ein uraltes Märchen. Die älteste Version ist uns aus dem Jahr 1000 überliefert: ein kleines, rot angezogenes Mädchen bringt der Großmutter, die ein schwarzer Wolf gefressen hat, weiße Butter; dasselbe in einer der ältesten Fabeln, die wir kennen, die vom Raben und vom Fuchs: Ein schwarzer Rabe sitzt auf einem Ast und will gerade einen weißen Käse verspeisen. Da kommt ein roter Fuchs und sagt, er, der Rabe, habe so eine schöne Stimme. Geschmeichelt öffnet der Rabe den Schnabel um zu singen – da fällt ihm der Käse hinunter. In den Rittersagen kommen böse rote Ritter vor, gute weiße, geheimnisvolle schwarze und unerfahrene, wagemutige grüne. Allmählich drängt sich Blau dazwischen. Nach und nach wird der schwarze Ritter zum bösen Ritter und der blaue Ritter zum Held.
Und so setzt sich der Siegeszug der Farbe Blau über die Jahrhunderte fort. Von der blauen Blume in der deutschen Romantik, über Werthers blauen Frack im Sturm und Drang bis hin zur Blue Jeans.
Seit es Meinungsumfragen gibt, besetzt blau als Lieblingsfarbe den ersten Platz. Warum hat sich blau so durchgesetzt? Rot, schwarz und weiß waren über Jahrtausende Symbole und Zeichen. Das war mit blau ganz anders. Blau war eine neue Farbe, frisch, neutral und unverbraucht.
Christoph Goldstein
Foto: CC-BY-SA-4.0