„bwegt. Mobilität für Baden-Württemberg“, so steht es auf dem hellblauen Zug, der für mich am „Bedarfshalt“ hält. Ein Bedarfshalt, das muss man wissen, ist ein „Haltepunkt“, an dem der Zug nicht unbedingt hält, sondern eben nur bei „Bedarf“. Man sagt übrigens „Haltepunkt“ – „Bahnhof“ wäre bei einem Gleis mit einem Bahnsteig zu hoch gegriffen. Ein „Bedarf“ wird sichtbar, wenn ich zum Beispiel auffällig genug am Bahnsteig stehe oder ein Fahrgast im Zug sich beim „Triebfahrzeugführer“ persönlich meldet. Das darf er, obwohl es ein Schild gibt: „Den Fahrer bitte nicht ansprechen“. Willkommen bei der Rottal-Bahn, auf der längsten Nebensbahn Deutschlands! Ja, richtig: wir sind in Niederbayern, nicht im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb. Hier, weit hinter München und Mühldorf, kommen die ausrangierten Züge aus dem Nachbarbundesland zum Einsatz. Hier sprechen Reisende und Bahnpersonal noch zueinander und kommunizieren ihren Ausstiegswunsch nicht nur anonym per Knopfdruck.

Wenn man das Klischee vom rückständigen, gleichwohl liebenswürdig-gemütlichen Eberhofer-Niederbayern bedienen möchte, ist so eine Fahrt von Passau nach Neumarkt-St. Veit empfehlenswert. Hier bieten sich echte „Lost-Places“ als Drehorte an: aufgegebene Haltepunkte in Pfenningbach oder Kaismühle, ehemalige Bahnhofsgebäude voll marodem Charme im aufgegebenen Kurort Bad Höhenstadt oder in Anzenkirchen.

 

Und es ist ja auch schön, auf diese Weise durch die sattgrüne, sanfthügelige Rottallandschaft zu bummeln, wenn hinter den schon etwas trüben Scheiben Pferdeweiden und Dorfkirchlein auftauchen wie in einer Modelleisenbahn. Andernorts macht man aus sowas ein Tourismusevent: Ein historischer Triebwagen vom gleichen Typ der Baureihe 628 wie im Rottal bringt Wanderer und Radler wochenends auf der eingleisigen Strecke der Ilztalbahn auf historisch abgewetzten Polstern durch Wälder und Auen in den Bayerischen Wald. Das können wir im Rottal doch auch! Und zwar täglich! Im Stundentakt (…naja…im Normalfall…)! Nicht nur Samstag und Sonntag dreimal täglich: „bwegte“ Nostalgiefahrten auf der 135 Jahre alten Strecke durch das Bayerische Golf- und Thermenland!

Bisher fahren hier außer ein paar versprengten Touristen auf dem Weg ins Bäderdreieck fast nur Alltagsmenschen: Schüler vor allem, denen noch die Erlaubnis fehlt, die parallelen Bundesstraßen und bald auch Autobahnen zu nutzen. Ein paar unablässige Pendler, die sich von der denkmalwürdigen Technik und den damit verbundenen Verspätungen und Zugausfällen nicht abschrecken lassen. Menschen eben voll niederbayerischer Gelassenheit, die sich beim Triebfahrzeugführer nicht nur ordnungsgemäß melden, sondern ihm beim Verlassen des Zugs noch ein freundliches „Pfüagott“ oder ein lässiges „Servus“ schenken. Menschen, die sich nicht lautstark beschweren, aber vielleicht ganz tief in ihrem Inneren – das würden sie aber wirklich nie laut sagen – dankbar sind: dankbar, dass Baden-Württemberg auch noch im fernen Niederbayern für Mobilität sorgt.

(Transparenzhinweis: der Autor stammt aus dem Schwarzwald und ist seit mehr als drei Jahrzehnten im Rottal zuhause)

Ludger Drost
Fotos: Asenkerschbaumer/Drost