Der Tod gehört zum Leben – und das ist totsicher. Jedes Jahr auf’s Neue erinnert der „Totenmonat“ November rund um Allerheiligen und Allerseelen an die Endlichkeit allen irdischen Daseins. Dabei begegnet jeder dem Tod auf seine Weise – ängstlich, verdrängend, ehrfürchtig, bisweilen sogar freundlich. Ja, es scheint, als hätte man gerade im bairischen Raum ein ganz besonderes Verhältnis zum „Boandlkramer“, wie der Tod hierzulande nicht erst seit Franz von Kobells Erzählung „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“ augenzwinkernd genannt wird.
Gerade für Menschen aus bäuerlich geprägten Landschaften, die jahraus, jahrein das Werden und Vergehen in der Natur miterleben und mitgestalten, ist es selbstverständlich, dass zu einem guten Leben zu guter Letzt auch ein gutes Sterben gehören muss. Das mag nicht zuletzt an einer treuherzigen, zuweilen biederen Frömmigkeit und dem unerschütterlichen Vertrauen zur christ-katholischen Kirche liegen – einem Charakterzug, der in den letzten Jahren deutlich im Verschwinden begriffen ist. Geblieben aber ist vielen der Galgenhumor, mit dem Leben und Sterben hingenommen werden. „Derb zugreifende altbayerische Lebensfreude, aufgeweckter Sinn, schlagfertiger Witz und eine Fülle von Talenten“ (aus Ludwig Thoma: „Erinnerungen“) haben dazu beigetragen, dass eine Fülle von Redensarten über das Sterben und den Tod entstanden ist und dass diese bis auf den heutigen Tag im Volksmund fortleben.
Gern wird der Tod dabei personifiziert, denn als redseliger Boandlkramer, Ripperlhans oder Brettlrutscher verliert er eher seinen Schrecken. „Da Tod hat vui Nama“ – und er hat viele Gesichter. Als Totengräber, als Skelett mit Sanduhr und Sense, als Reiter mit dem Schwert, als Nackter mit Leichentuch und anderen Vanitas-Symbolen wie einer erloschenen Kerze oder geknickten Ähren, tritt er uns in zahlreichen Darstellungen gegenüber. „Da Tod z’Eding“ ist in seiner dürren, bleichen Gestalt sprichwörtlich geworden und dabei mit seiner drohend geschwungenen Sense weit entfernt vom vertrauensvollen Bild des Boandlkramers, dem mit Witz und ausreichend Kirschgeist noch das ein oder andere Lebensjahr abzutrotzen ist.
Wenn man in Wahrheit auch nicht mit dem Tod handeln kann, so scheint er doch gerecht zu sein: Er hebt alle Ungleichheiten auf, Arm und Reich trifft er gleichermaßen. Die mittelalterlichen Totentanz-Darstellungen – wie zum Beispiel in St. Peter zu Straubing – zeigen den „ewigen Gleichmacher“ als Spielmann mit Fiedel, Pfeife, Laute oder Dudelsack, der mit Menschen jeden Alters und Standes unerbittlich den Reigen hinüber in die andere Welt tanzt.
Weil der Volksglaube vor der ewigen Glückseligkeit „drüben“ noch das verzehrende Fegfeuer fürchtet, hat man Hilfe ersonnen: Mit guten Taten im Diesseits soll das Purgatorium im Jenseits erträglich und verkürzt werden. „Seelwecken“ oder „Seelbroten“ wurden an Kinder und Arme verschenkt. „Helf dir Gott!” sagte man einem Niesenden und der erwiderte mit einem “Vergelt’s Gott für die Armen Seelen.” Diese Dankesformel von der Qualität eines kleinen Ablasses sprachen auch jene, die beschenkt wurden. Ebenso versprach man sich vom Besprengen der sogenannten Allerseelentaferl mit Weihwasser eine Kühlung für die Seelen im Fegfeuer.
Zeugnisse tiefer Frömmigkeit liefern auch die Totenbretter des Bayerischen Waldes, die noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an Häusern, Friedhofsmauern und Weggabelungen zu sehen waren. Sie hatten, solange das Aufbahren der Verstorbenen im Haus noch üblich war, als Bahrbrett gedient oder erinnerten als Gedenkbrett an den, „der über’s Brettl oweg’rutscht“ war. Bemalt und mit einer Inschrift oder holprigen Reimen versehen hat man sie im Freien aufgestellt. Dabei waren die Sprüche nicht immer besinnlich und zeugten oft mehr von besagtem humorvollen Umgang mit dem Tod, als von ängstlicher Ehrfurcht oder mit Karl Valentin gesprochen: „Da hab ich a Leben lang Angst vorm Sterb’n g’habt, und jetz’ des!“
CLL