Dieses Jahr verleiht der Bezirk Niederbayern seinen Kulturpreis an „Dynamo Kurzfilm e.V.“. Der im Jahr 2000 gegründete gemeinnützige Verein organisiert das alljährlich im März stattfindende Landshuter Kurzfilmfestival (kurz: LAKFF). Aus einer Veranstaltung nur für Freunde wurde über die Jahre bzw. vielmehr nun zwei Jahrzehnte ein ganzes Festival.
Das Veranstalterteam rund um Birgit Horn und Michael Orth etablierten Landshut und damit Niederbayern als internationalen Kurzfilm-Festival-Standort und waren damit Vorreiter in der Szene. Das offene Genre Kurzfilm und die Einteilung der Organisatoren in unterschiedliche Sparten bietet für alle Alters- und Geschmacksgruppen zeitgenössische Kurzfilme aus aller Welt. 2021 fand das LAKFF wegen Corona erstmals rein digital statt.
Um wie zuletzt für das 21. LAKFF „nur“ 230 Filme aus 47 Ländern auszuwählen, schauen sich die Organisatoren im wahrsten Sinne des Wortes die Augen viereckig. Das mit den „Augen viereckig schauen“ erscheint bei übermäßigen Fernsehkonsum erst einmal logisch, denn der Fernsehbildschirm ist nun mal eckig. Ebenso wurden wir von unseren Eltern davor gewarnt, dass wir uns nicht zu nah vor dem Fernseher setzen sollen. Nicht nur hätte dies – wie schon gesagt – viereckige Augen zur Folge, sondern – und das ist kein Scherz – fördert dies Kurzsichtigkeit. Vor allem das lange unbeweglich auf einen Fleck starren, ermüdet die Augen und den Körper. Das scheint beim Team von Dynamo Kurzfilm e.V. nicht der Fall zu sein. Gerade weil die kurzsekündige oder wenigminütige Spiel-, Dokumentar-, Horror-, Science-Fiction- sowie Animationsfilme unter die Haut gehen, einen zum Lachen bringen, Gänsehaut verursachen, faszinieren, einen sprachlos und in dem ein oder anderen Fall Kopfschütteln verursachen, bleibt die Vorstellung von viereckigen Augen ein Mythos bzw. eine nicht ganz wahre Eltern-Weisheit.
Die drei Spielorte an denen das Landshuter Kurzfilmfestival stattfindet spiegelt die Vielfalt der Kinolandschaft wider: vom Arthouse Kino bis zum Cineplex, von 60 bis 450 Sitzplätze, ist alles vorhanden. Diese Bandbreite trägt zum Charme des Festivals bei. Aus gegebenen Anlass müssten wir ein „noch“ vor der Vielfalt der Kinolandschaft ergänzen. Womit wir bei der Zukunft der Kinos wären. Angesichts von erhöhten Kinomieten, Wettbewerbs- und Verdrängungsprozessen haben es viele Kinos immer schwerer. So mussten allein in Deutschland in den letzten zehn Jahren etwa 10 Prozent der Kinos schließen. Gleichzeitig sind die Besucherzahlen rückläufig. Dieser Negativtrend hat eine längere Tradition: erst die Konkurrenz durch den Fernseher, dann durch VHS und DVD, jetzt die Streamingdienste. Es ist vom „Kinosterben“ die Rede.
Derweil hieß es mal in einer Kampagne, dass Filme für das Kino gemacht werden. Das ist heute immer weniger selbstverständlich. Immer mehr Filme werden ausschließlich für Streaming-Portale gedreht. Nach 18 Monaten Corona bedingter Zwangspause sind als Gewinner der Krise die Streamingdienste zu sehen; also jene, die dezentral liefern können. Andererseits scheinen die eineinhalb Jahre im immer gleichen heimischen Netflix-Format eine Sehnsucht nach dem Kino entfacht zu haben. Es lässt sich von einer widererwachenden Lust am Kino sprechen. Das gemeinsame Erleben macht das Besondere aus.
Und dennoch: um das Überleben der Kinolandschaft zu sichern, benötigt es eine Utopie. Diese lautet: öffentliche Stellen müssen sich um die Kinokultur kümmern und ein Subventionsmodell nach Vorbild des Theaters entwickeln. Dadurch kann ein kulturelles und vielfältiges Kinoprogramm, das seinen Namen verdient, nachhaltig gesichert werden. Kinofilme mögen in der Freizeit konsumiert werden und zugleich dienen sie ähnlich wie Opern oder Theater der Unterhaltung der Besuchenden. Aber im Gegensatz zu diesen, gelten Kinos nicht als Kultureinrichtungen und werden selten subventioniert.
Mit seinem diesjährigen Kulturpreis unterstreicht der Bezirk Niederbayern sein Verständnis eines „weiten Kulturbegriffs“ und kürt erstmals die Sparte Film. Vorhang auf!
Cindy Drexl
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