Der Pfingstsonntag des Jahres 1754. Die Festgottesdienste in den Kirchen sind gerade beendet, und viele der rund 7.500 Einwohner Landshuts sitzen in den zahlreichen Wirtshäusern der Stadt. Dort genießen sie zur Feier des Tages einen Festbraten und trinken die eine oder andere Halbe Bier. Da spricht sich herum, dass die Jesuiten gerade damit beginnen, an der Klosterpforte ihr selber gebrautes Bier zu verkaufen. Es gilt als eines der besten Biere Landshuts. Sofort macht sich die halbe Stadt auf den Weg zum Kloster am Ende der Neustadt. Die Leute tragen Maßkrüge mit sich, in denen sie den begehrten Trunk mit nach Hause nehmen wollen. So einem Andrang sind die Ordensbrüder jedoch nicht gewachsen. Die Menschenmenge beginnt zu drängeln. Einige Menschen fangen an zu rempeln und zu raufen. Tumult bricht aus. Sofort stellen die Jesuiten den Bierausschank ein und schließen ihre Klosterpforte.
Vier Landshuter Klöster waren bis zu ihrer Auflösung dem Bierbrauen verpflichtet. Neben diesen Klöstern hatte auch das Heilig-Geist-Spital eine bis in das 13. Jahrhundert zurückgehende Brautradition. Das Spital zur Pflege von kranken und alten Bürgern hatte zur Selbstversorgung ein eigenes Brauhaus. Die Landshuter Klöster der Franziskaner, Franziskanerinnen, Dominikaner, Kapuziner und Ursulinen hatten anfangs ihr benötigtes Bier bei den bürgerlichen Bierbrauern herstellen lassen. Dafür lieferten sie Hopfen, Gerste und Malz. Aus wirtschaftlichen Gründen begannen die Franziskaner und Dominikaner Bier zu brauen. Eigentlich durften die Klöster ihr Bier nur zum Eigenbedarf verwenden, also für die Mönche und die im Kloster beschäftigten Handwerker und Arbeiter. Darüber hinaus war es aus christlicher Barmherzigkeit üblich, Durchreisende und Pilger zu beherbergen sowie Notleidenden und Bedürftigen umsonst zu bewirten. In München kursierte im 18. Jahrhundert folgender Vers über den Bierausschank des dortigen Franziskanerklosters: „Bei St. Franzisko im Kloster/Braut man vortrefflich Bier/ Und bist du ein armer Teufel/ zahlst du keinen Heller dafür.“
1688 errichteten die Landshuter Jesuiten ein eigenes Brauhaus. Es befand sich an der Ostmauer des Kollegs am Rande des Hofgartens. Als Brauwasser verwendeten die Jesuiten Wasser aus einem Brunnen am Fuße des Hofbergs. Im 18. Jahrhundert hatte ihr Bier den Ruf, eines der besten Biere Landshuts zu sein. Das Bier war ein untergärig gebrautes Braunbier. Es leuchtete wie dunkler Bernstein, schmeckte nach Malz und war süß und süffig.
Obwohl eigentlich nicht erlaubt, verkauften die brauenden Klöster ihre Biere auch an den Klosterpforten. Dies wiederum ärgerte die bürgerlichen Landshuter Brauer sehr, von denen es ungefähr 40 in der Stadt gab. Zu deren Verdruss war das Klosterbier bei der Stadtbevölkerung begehrter als ihr eigenes Bier. Zuweilen saßen die Brauer frierend in ihren Sommerbierkellern und warteten vergebens auf die Kundschaft, während an den Klosterpforten eine Maß nach der anderen ausgeschenkt wurde. Hinzu kommt, dass die Brauer im Gegensatz zu den Klöstern Biersteuer zahlen mussten. Wegen des Bierverkaufs der Klöster nahmen dann auch die Klagen der Landshuter Brauer vor der kurfürstlichen Regierung kein Ende. Der Tumult am Pfingstfest des Jahres 1754 war einmal mehr Anlass für eine Beschwerde der bürgerlichen Bierbrauer. Diese forderten die Regierung auf, sie müsse der Stadt befehlen, den klösterlichen Bierverkauf zu
unterbinden. Amtsleute der Stadt sollten den Bürgern das Klosterbier wegnehmen, es ausschütten und deren Krüge zerbrechen. Würde dies jedoch zu keinem Erfolg führen, so sollten die Soldaten der Landshuter Garnison die Braupfannen der Klöster zerstören. So weit ist es aber dann doch nicht gekommen. Auf die Beschwerde hin rechtfertigten sich die beschuldigten Klöster. Die Jesuiten, deren Bierausschank der Grund für die Klage war, leugneten ihren Verkauf nicht.
Fast so begehrt wie das Jesuiten-Bier war das Bier des Landshuter Heilig-Geist-Spitals. Im Spital war der Durst enorm und der Bierkonsum unglaublich groß. Den Pfründnern standen täglich, je nach Rechtsstellung, eine bis zwei Maß Bier zu, was zur Folge hatte, dass sie täglich mittags und abends in das Brauhaus gingen und sich dort ihre Maß abholten. Die Angestellten und Dienstboten des Spitals erhielten ebenfalls kostenlos Bier. Nahezu jede Leistung für das Spital wurde mit Bier begossen. Der Metzger erhielt Bier bei der Schafschur, der Gassenkehrer beim Feierabend, der Fischer, wenn er Fische für das Spital ausweidete. Der Spitalpfarrer, der Mesner und die Ministranten bekamen Bier nach einem Begräbnis, für das Ausräuchern oder für das Putzen der liturgischen Kelche. Das Spital war stolz auf sein Bier, die Spitalverwalter achteten stets auf die Güte ihres Gerstensafts. Zum Brauen wurde nur bester böhmischer Hopfen aus Saaz verwendet. Noch heutzutage ist der Saazer Hopfen der teuerste der Welt. Letztlich waren alle ausgesprochenen kurfürstlichen Verbote vergeblich. Trotz der Strafandrohungen verkauften die Klöster immer wieder ihr selbstgebrautes Bier. Die Säkularisation beendete dann den Betrieb der Klosterbrauereien im ganzen Land. Einige Brauhäuser wurden abgebrochen, wie im Falle des Klosters Seligenthal nach 1830. Andere gingen in den Besitz von Bürgern über. Das Franziskaner-Brauhaus erwarb beispielsweise Clemens Prantl, der Begründer des späteren Prantlgartens. Die Brauerei des Heilig-Geist-Spitals bestand noch einige Zeit länger. Anno 1869 wurde sie an den Braumeister Max Ainmiller versteigert.
Mario Tamme
Foto: Bildarchiv des Verkehrsvereins Landshut