Der systematische Autobahnbau begann in Deutschland 1933 auf der Grundlage von Planungen aus der Zeit der Weimarer Republik. Im Mai 1938 war im Deggendorfer Donauboten zu lesen: „Nun wird es ernst mit dem Bau der Reichsautobahn in unserer Gegend.“ Die Meldung bezieht sich auf die RAB-Strecke 87 (Passau-Regensburg). Im Gegensatz zu diesem Abschnitt der heutigen A3 sollte die Reichsautobahn in der Gegend von Deggendorf nördlich der Donau verlaufen. Das Los 135, in dem der Beginn der Arbeiten geplant war, umfasste etwa 5,7 Kilometer. Ebenfalls 1938 erfolgten die Grunderwerbsverhandlungen. Im Herbst nahm man die Arbeiten auf. Von der Firma Streicher, die den Auftrag für das Anlegen der Trasse (vor allem „Erd-, Wegebefestigungs- und Planierungsarbeiten“, vgl. Ausschreibung) erhalten hatte, und anderen Bauunternehmen wurden außerdem elf Wasserdurchlässe und sieben Unterführungen fertiggestellt.

Die Unterführung bei Klessing (Exkursion auf der Autobahntrasse im Sommer 2022; Foto: Büro Kiendl & Moosbauer)

In der lokalen und regionalen Presse wurde ausführlich über das Projekt berichtet: „Die Bagger schafften, daß es eine Lust war, ihnen zuzusehen, die kleinen, aber ungemein zugkräftigen Lokomotiven bewegten in den großen Loren das Erdreich hin und her.“ (BOM vom 26/27.11.1938) Die entsprechenden Beiträge enthalten wesentliche Aspekte der damaligen Propaganda: „Mit steigendem Interesse verfolgt der Deggendorfer den Fortschritt der Arbeiten auf der Reichsautobahn, die nun bereits ein gewaltiges Ausmaß angenommen haben und allen so recht die Größe dieses einzigartigen Straßennetzes durch Großdeutschland empfinden lassen.“ (BOM vom 07.05.1939) Besonders betont wird die Attraktivität der Landschaft, wobei dem Wald eine entscheidende Bedeutung zukommt: „Nach Deggendorf aber wird den Autobahngast für lange Zeit die Stille und Ruhe des Bayerischen Waldes umgeben.“ (DD vom 23/24.07.1938) Auch die beim Bau der Reichsautobahn angestrebte Versöhnung von Natur und Technik wird erwähnt: „Man kann ohne weiteres heute schon feststellen, dass nirgends das Landschaftsbild beeinträchtigt wird. Im Gegenteil, überall wird die Landschaft durch dieses Bauprojekt erst voll zur Geltung […] kommen.“ (BOM vom 26/27.11.1938) In einem anderen Artikel wird die Verwendung neuartiger in Kombination mit regionalen, traditionellen Baustoffen bei der Errichtung der Ruselstraßenunterführung hervorgehoben: „Großartig ist der Anblick der Eisenbetonbalkendecke mit ihren acht armierten Balken. Das Gewände der Unterführung ist ganz mit Granitverkleidung versehen und der schöne Haustein wirkt charakteristisch für unsere bergige Gegend.“ (BOM vom 28.10.1939)

Hinter dieser Kulisse jedoch gab es zahlreiche Probleme. Hier sei angemerkt, dass der Autobahnbau – anders als in der NS-Propaganda dargestellt – am Rückgang der Arbeitslosenquote vor allem im entscheidenden Jahr 1934 nur einen geringen Anteil hatte. Da es im Bayerischen Wald jedoch auch in den späten 1930er Jahren noch relativ viele Erwerbslose gab, wurden solche auf den Baustellen des Loses 135 eingesetzt, obwohl sie den körperlichen Anforderungen teilweise nicht gewachsen waren. Auch kam es zu Engpässen bei der Versorgung mit Treibstoff und Baumaterial. Dass es darüber hinaus beim Grunderwerb Konflikte gab, belegen „Unterlagen zu Enteignungsverfahren gegen fünf Grundbesitzer“ (Staatsarchiv Landshut). Diese enthalten auch einen Bericht über die Folgen der in einem Waldstück am Fuß des Schützinger Berges durchgeführten Baumaßnahmen. Diese entsprachen nicht den oben erwähnten ökologischen Zielsetzungen, da bei Sprengarbeiten „eine augenfällige Beschädigung der oberhalb und unterhalb [an die Trasse] angrenzenden Waldteile durch die mit der Herstellung des Straßenkörpers verbundenen Arbeiten entstanden ist. Baumwurzeln sind abgegraben, Bäume durch die Steinsprengung so stark beschädigt, daß sie eingehen werden, der ganze angrenzende Waldboden mit größeren und kleineren Steinen bedeckt usw.“

Mit dem Beginn des Krieges wurden die Arbeiten weitgehend eingestellt. Baufirmen waren gezwungen, Personal und Maschinen für kriegswichtige Baumaßnahmen zur Verfügung zu stellen, wovon im April 1940 auch die Firma Streicher betroffen war: „Im Einvernehmen mit dem Generalinspektor für die Regelung der Bauwirtschaft werden bei Ihnen auf Grund des Reichsleistungsgesetztes nachstehend bezeichnete Gegenstände beschlagnahmt und für unmittelbare Wehrmachtszwecke […] in Anspruch genommen.“ Es handelte sich um 21 Dieselloks, 132 Wagen, 5000 Meter Schienen sowie 30 Weichen, die zuletzt auf der RAB-Baustelle bei Deggendorf eingesetzt waren (Staatsarchiv München).

Die Pläne zum Bau der Autobahn bei Deggendorf wurden nach 1945 zunächst aufrechterhalten. Komplikationen und Konflikte ergaben sich dadurch, dass die Eigentumsverhältnisse im Bereich der Trasse insgesamt unterschiedlich beziehungsweise teilweise ungeklärt waren. Nachdem in den 1960er Jahren unter anderem wegen der sechsprozentigen Steigung zwischen Deggendorf und Haslach entschieden worden war, die A3 südlich der Donau anzulegen, schlossen sich einige Grundstücksbesitzer beziehungsweise ehemalige Eigentümer von Flächen zur „Interessensgemeinschaft der Autobahngeschädigten“ zusammen. Alle Beteiligten konnten sich jedoch einigen. Das ermöglichte die Nutzung der alten Autobahntrasse für den Straßenbau (in den späten 1970er Jahren durch den Landkreis von der Ruselstraßenunterführung bis Haslach; in den frühen 1980er Jahren durch die Stadt Deggendorf von der Ruselstraßenunterführung bis zur Ulrichsberger Straße; heute Staatsstraße 2133), wobei man acht Wasserdurchlässe und sechs Unterführungen der RAB verwendete. Die Autobahn A3 wurde schließlich zwischen Deggendorf und Iggensbach 1975 sowie zwischen Straubing und Deggendorf 1984 für den Verkehr freigegeben.

Die Lage der fertiggestellten Unterführungen (mit einem roten Punkt markiert von links): Ulrichsberger Straße, Hammermühlbach und Fußweg, Ruselstraße, Mühlbogentunnel (Mühlbach und Fußweg), Scheuering-Schleiberg, Haslach, Klessing (georportal.bayern.de/bayernatlas; Bearbeitung: Alois Wanninger, Birgit Stern)

Quellen zum Thema sind Zeitungsartikel (BOM: Bayerische Ostmark; DD: Deggendorfer Donaubote) und Archivalien im Staatsarchiv München, im Staatsarchiv Landshut sowie im Stadtarchiv Deggendorf. Alois Wanninger (Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte e.V.) hat die Geschichte des Loses 135 der Strecke 87 bisher mit Florian Jung erforscht. Ein entsprechender Beitrag von diesem ist im Jahre 2020 in dem Sammelband „Schaufling. Ein Buch zur Heimatgeschichte“ erschienen. 2021 wurden der Mühlbogentunnel (Unterführung der Staatsstraße 2133) sowie eine Unterführung, drei Wasserdurchlässe und eine Probemauer (jeweils im Wald unterhalb des Schützinger Berges) in die Denkmalliste eingetragen.

Florian Jung