Vor kurzem wurde auf dem Gelände des Freilichtmuseums Massing ein weiteres Museumsgebäude eröffnet: die „Görgenmannsölde“ aus Kleinbettenrain im Kröning, Landkreis Landshut. Dieses Kleinbauernhaus (Sölde) ist archivalisch seit 1570 nachweisbar. Das Hafnerhandwerk am Anwesen kann für das Jahr 1671 erstmals schriftlich belegt werden.
Doch schon seit etwa 1300 wurde im Kröning, ehemals einem der bedeutendsten Hafnerzentren Deutschlands, Keramik produziert. Ihre Blütezeit erreichte die Hafnerei dort zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Über 120 Meister fertigten damals hochwertiges Gebrauchsgeschirr und Ofenkacheln. Um 1800 lag die Jahresproduktion bei einer Million Stück Geschirr. Diese Ware wurde in einem Umkreis von mehreren hundert Kilometern vertrieben. Ihr Verkauf auf Märkten im bayerischen Herrschaftsgebiet war durch alte herzogliche Privilegien geschützt. Allerdings verlor das Kröninger Hafnerhandwerk im 19. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Sein Ende kam um das Jahr 1930. Konkurrierende Materialien wie Emailblech und Porzellan verdrängten die traditionelle Irdenware. Heute ist die Kröninger Hafnerware nur mehr in Museen zu bestaunen, und eines der letzten Hafnerhäuser wanderte mit der Sölde des „Girgenmo“ ins Freilichtmuseum.
2016 wurde die Görgenmannsölde an ihrem ursprünglichen Standort abgebaut und in einer spektakulären Ganzteil-Transport-Aktion auf Tiefladern nach Massing ins Freilichtmuseum verbracht. Nach seiner Zwischenlagerung begann ab 2019 der Wiederaufbau. Im Juli 2022 konnte das Gebäudes als museales Anschauungsobjekt mit informativer didaktischer Ausstattung für die Museumsbesucher eröffnet werden.
Das Besondere am diesem Haus sind nicht allein Alter und Baugeschichte. Vielmehr war es seine Multifunktionalität. Denn das Gebäude versammelte neben den Wohn- und den üblichen Wirtschaftsräumen wie Tenne und Stall, Holzlege und Schupfen auch die Arbeitsräume unter einem Dach. Was heutzutage unvorstellbar wäre: Die großzügige Wohnstube war gleichzeitig Hafnerwerkstatt. Hier gab es zwei Arbeitsplätze mit Töpferscheiben, eine Glasurmühle und eine Tongrube.
Ein großer Keramikbrennofen stand in der anschließenden Küche, die nicht umsonst Brennkuchl hieß. 12 bis 15 Mal pro Jahr heizten dort die Hafner ihren Brennofen an. Ein Brennvorgang erstreckte sich über 30 Stunden und verschlang ca. 6 m3 Scheiterholz. Der Keramikbrand selbst erfolgte bei Temperaturen bis zu 950 Grad Cesius. Es gleicht also schon einem Wunder, dass die Görgenmannsölde, ein jahrhundertealter Blockbau, niemals abgebrannt ist. Aber das ist wiederum der Umsicht und Erfahrung der alten Hafnermeister zu verdanken.Der ursprüngliche Brennofen und der offene Kamin, auf dem ehedem gekocht wurde, verschwanden bereits 1916 im Zug einer Umbaumaßnahme. Beide Ausstattungsteile konnte man für Museumszwecke rekonstruieren. Ein moderner Holzbrennofen für Keramik steht heute im ehemaligen Backhäusl. Erbaut von Lehrern, Schülerinnen und Schülern der traditionsreichen Keramikschule Landshut, wird damit zukünftig sowohl nachempfundene Kröninger Hafnerware als auch zeitgenössische Keramik gebrannt werden. Auf diese Weise ergänzen sich traditionelles und modernes Keramiker-Handwerk.
Maximilian Seefelder
Fotos: Gerhard Nixdorf und Fotoarchiv Freilichtmuseum Massing