Zum Landshuter Domschatz von St. Martin gehört eine prunkvolle Monstranz, die mit Hunderten von Perlen der niederbayerischen Flussperlmuschel verziert ist. Sie ist ein beredtes Zeugnis des einstigen Überflusses einer heute vom Aussterben bedrohten Tierart, die u.a. in der Ilz einst eine gesicherte Heimat hatte.
Der Fluss, der seine schwarze Farbe den Tanninen der sie umgebenden Nadelwälder in den Quellgebieten und Auswaschungen der Hochmoore verdankt, entspringt um den Rachelsee und erreicht bei Tittling den Landkreis Passau. Dort bildet sie die Grenze zum Landkreis Freyung-Grafenau, bevor sie sich ab Fürsteneck mit der Wolfsteiner Ohe vereinigt und mittig durch den nördlichen Landkreis bis zur Dreiflüssestadt Passau fließt.
Die Ilz ist als Kerb- bzw. Kerbsohlental ausgebildet. Der Talraum, der früher traditionell als Grünland bewirtschaftet wurde, ist heute vielfach aufgeforstet. Der Fluß wirkt als Wander- und Ausbreitungsachse für zahlreiche Organismen, die den inneren Bayerischen Wald mit dem Donautal verbindet. Heutzutage sind das leider auch z.B. sogenannte Neophyten wie das Indische Springkraut oder der schlitzblättrige Sonnenhut, die die sibirische Schwertlilie oder den Eisenhut verdrängen.
Die flusstypische Wasseramsel ernährt sich von Köcher-, Eintags- und Steinfliegenlarven. Das in Hangwäldern offen zutage tretende Quellwasser lockt die Larven des gefleckten Feuersalamanders, dem die Wanderer besonders bei feuchter Witterung begegnen können.
Bereits seit 1960 ist das Ilztal Landschaftsschutzgebiet, 1993 kamen die „Halser Ilzschleifen“ und 1997 die „Obere Ilz“ von der Ettlmühle bis Fürsteneck als Naturschutzgebiete hinzu. Nach dem EU-Projekt „Saubere Ilz“ von 2000-2002 für 33 Gemeinden, zwei Landkreis und die Stadt Passau im gesamten Einzugsgebiet war eine fachlich sehr fundierte Grundlage dafür gelegt, dass die Ilz von den Naturfreunden Deutschlands und dem Deutschen Angelverband 2003 zur „Flusslandschaft des Jahres“ gewählt wurde. Diese Auszeichnung enthielt auch die Verpflichtung, die Gewässerqualität und das gesamte Flussökosystem zu verbessern.
Denn der Mensch hat nicht nur durch den Raub der Perlen aus den einst üppigen Flußperlmuschelbeständen massiv eingegriffen. Die Holztrift im 18. und 19. Jahrhundert hat durch den Bau von insgesamt 230 km Triftwegen große Reichtümer in die Kassen der Passauer Fürstbischöfe gespült. Jährlich wurden auf ihnen bis zu 100.000 Festmeter Richtung Donau bis nach Wien und andere Metropolen geflößt. In Hals wurde unter Ludwig I. die große Ilzschleife dafür sogar mit einem 115 m langen heute noch begehbaren Tunnel abgeschnitten.
Der Stausee in Hals ist ein weiteres ökologisch desaströses Wanderhindernis, das sämtliche Feinteile aus Erosionswellen des Oberlaufes in meterhohen Schlickschichten speichert. Durch die Rustikal-Operette „Der Gondoliere vom Halser Stausee“ von Elmar Raida im Jahr 2006 das hat der See durch Aufführungen im Rahmen des „Kulturmobils“ im ganzen Regierungsbezirk eine regionale Aufwertung erfahren.
Die vom Aussterben bedrohte Flussperlmuschel hat dank eines Bundesprojektes heute sogar einen Gebietsbetreuer mit Doktortitel, der u.a. mittels einer Aufzuchtanlage bei Fürstenstein, der Impfung von Bachforellen als Zwischenwirtin für die Glochidien-Larven und Spezialkästen im Flussbett wieder für eine Verjüngung des überalterten Restbestandes sorgt. Schon die erfolgreiche Aufzucht von ein paar Hundert neuen Jungmuscheln gilt dabei als Meilenstein für die Ilz, wo einst allein im 19. Jahrhundert über 150.000 Flussperlen für Schmuckgegenstände aller Art geräubert wurden. Zum Beispiel für den Landshuter Domschatz in St. Martin.
Helmut Wartner
Foto: Klaus Leidorf