Ein Septemberabend an der Tankstelle mitten in Niederbayern: Ich stehe im Dirndl an der Kasse und bezahle. Die junge Kassiererin meint fröhlich: „Na, geht’s zum Oktoberfest?“. Ich verneine und erkläre, dass ich zu einer Veranstaltung vor Ort unterwegs bin. Darauf folgt ihre erstaunte Antwort: „Ach was, da trägt man sowas auch?“
Tracht wird anscheinend mehr und mehr als Verkleidung für die Bierzeltparty wahrgenommen. In den Kleiderschränken der Jugend finden sich das Dirndl respektive die Lederhose als Pflicht-Accessoire. Man will ja zünftig ausgerüstet sein für die diversen Volksfeste im Jahreslauf. Dieses Kleidungsverhalten wird gern als bewusster Ausdruck der Verbundenheit mit der Region interpretiert und hochgelobt. Bayern ist gerade in – wir sahen es, nebenbei bemerkt, im Sommer auch an den aufblasbaren Weißwürsten und Brezen in Übergröße, die in großer Zahl in den bayerischen Badeseen umherschwammen.
Grundsätzlich ist es durchaus erfreulich, dass man sich gern in Tracht oder was man dafür hält zeigt. Auch Touristen bekunden ihre Sympathie mit der Region durch bayerisch angehauchte Kleidung. Dennoch zwingt sich eine Frage auf: Ist regionale Zugehörigkeit etwas, das man nur zu bestimmten Gelegenheiten zeigen soll? Im Dirndl ins Bierzelt – klar, das erwartet jeder. Im Dirndl auf den Wochenmarkt oder ins Klassikkonzert? Da treffen einen schon leicht irritierte Blicke. Ganz so weit her ist es mit der regionalen Verbundenheit, die sich im Kleidungsverhalten ausdrückt, dann doch nicht. Samstagabend ist Bayern quasi in, Mittwochmittag eher nicht. Schade eigentlich. Ganz Mutige sollen ihre Lederhose übrigens schon dann angezogen haben, wenn ihnen grad danach ist. Beim Gassi Gehen mit dem Hund zum Beispiel. Und danach sind sie in der gebleichten Jeans auf’s Oktoberfest gefahren.
Veronika Keglmaier