„Dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie Stein! […] zur Regel wird es mir seyn, lieber zu Fuß zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren.“
Das schreibt Mozart 1780 an seinen Vater Leopold. 1762, 18 Jahre früher, ist Mozart viel weicher gereist: nicht zu Fuß, sondern mit dem Schiff. Gerade einmal sechs Jahre ist er damals alt, als er von Salzburg nach Passau und von dort aus auf der Donau nach Wien gesegelt ist. Es ist seine zweite Reise, auf der er als klavierspielendes und komponierendes Wunderkind ganz Wien verzaubern wird.
Schon viele tausend Jahre vor Mozart war die Donau die Hauptverkehrsader Mitteleuropas. Hier haben die Menschen seit jeher gelebt, Städte und Klöster gegründet, Burgen gebaut, gehandelt, gefischt und im Hinterland Ackerbau betrieben. Die Donau war für die Menschen schon immer eine lebenserhaltende Freundin, aber auch eine lebensbedrohliche Feindin. Die Hochwasser sind für die Auwälder und ihre Tiere lebensnotwendig, ohne Hochwasser gäbe es sie gar nicht. Für den Menschen sind die Hochwasser lästige Übel; so etwa, wie ein Schwarm Heuschrecken, der in kürzester Zeit alles wegfrisst, was das Jahr über so mühsam gewachsen ist.
Also hat man angefangen gegen die Donau zu kämpfen. Man wollte das, was man nicht zähmen kann, das Wasser, zähmen: mit engen Kanälen und Deichanlagen, damit immer mehr Schiffe fahren können und es immer mehr Platz für immer mehr Menschen gibt.
Mit der Donau ist das Gleiche passiert wie mit einer Ader, in der sich immer mehr Cholesterin ablagert. Irgendwann ist kein Platz mehr da, das Blut staut sich, der Sauerstoff wird knapp. Das nennt man Arteriosklerose. Die Arteriosklerose ist eine Zivilisationskrankheit. An einer ähnlichen, von Menschen gemachten, Zivilisationskrankheit leidet die Donau. Immer mehr Land hat man ihr abgetrotzt über die Jahrhunderte.
Aber die Donau hat sich gewehrt; immer wieder. Zuletzt 2013. Noch kurz vor dem Jahrhunderthochwasser wollten Landräte und Parteivorsitzende immer mehr Profit aus der Donau herausquetschen und sie weiter ausbauen: noch mehr Schiffe, noch mehr Staustufen, keine Schleifen, am besten schnurgerade. – Doch aus Schaden wird man klug und nun wird die Donau nur sanft ausgebaut. Die Fahrrinne wird vertieft, obwohl der Güterverkehr auf der Donau seit Jahrzehnten abnimmt. Der Fluss aber bekommt zum ersten Mal etwas zurück: Platz. Mehr Platz, um den jahrzehntelang erbittert gestritten wurde. Dieser Platz ist Gold wert; für Mensch und Natur. Er ist ein Schutzraum vor Hochwasser und Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen. Gäbe es bloß mehr von diesem Platz.
Christoph Goldstein
Foto: Klaus Leidorf