Während der frühmorgendlichen „radioWelt“, dem aktuellen Magazin auf Bayern2, kündigte der Moderator erst kürzlich einen Musiktitel an, und zwar mit folgenden Worten: „Und jetzt kommt Heimatsound aus München – Jamaram mit Diamond Girl“. Dann folgte ein Reggae mit englischem Text. Stilistik und Sound ließen nichts erkennen, was man auch nur annähernd als Heimatsound deklarieren bzw. mit Heimat in Verbindung bringen könnte. Dies war erstaunlich, aber es war nicht das erste Mal, dass man im Bayerischen Rundfunk unter der Bezeichnung Heimatsound einen Musiktitel hören konnte, der keinerlei Assoziation zu Bayern ermöglichte.
Um an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht hier nicht darum, die achtköpfige Band Jamaram zu kritisieren. Die Musiker sollen selbstverständlich spielen, was ihnen gefällt. Außerdem lieferten sie mit ihrem Song einen eigenen Titel ab, der gut interpretiert und ebenso gut eingespielt war. Sie erwiesen sich als Profis, ihre Musik ist ansprechend; sie trifft den populären Musikgeschmack. Ebenso wenig soll hier ein Plädoyer auf die vermeintlich „gute, echte“ und unveränderbare Volksmusik gehalten, geschweige denn die Käseglocke über einen Musik-Konservatismus gestülpt werden, der von vorneherein auf tönernen Füßen stand. Im Gegenteil: Die Bezirksheimatpflege, insbesondere in Niederbayern, gehört wohl zu jenen Institutionen, die der Neuen Volksmusik und dem Tradimix, aus dem der Heimatsound überhaupt erst hervorgehen konnte, schon in den frühen 1990er-Jahren fachlich den Weg geebnet haben. Das vollzog sich damals übrigens nicht ohne erhebliche Widerstände der Traditionalisten.
Aber wer heute auch immer die Deutungshoheit über den Begriff „Heimatsound“ beansprucht: Was ist der Grund, dass man englischsprachige Popmusik wie den genannten Titel „Diamond Girl“ als Heimatsound aus Bayern deklariert? Melodisch, rhythmisch, harmonisch und auch instrumental erinnert nichts an Heimat – zumindest nicht an eine bayerische oder alpenländische. Es kommt im Text auch kein einziges Wort in deutscher Sprache vor, von irgendeinem Regional- oder Ortsdialekt gar nicht zu reden.
So stellt sich generell die Frage: Was zeichnet den Heimatsound aus? Genügt es etwa schon, wenn die Musiker aus Bayern stammen oder in Bayern wohnen? Oder gibt es irgendwelche anderen Kriterien? Und wenn, wer legt sie fest? Oder ist sowieso alles „wurscht“? Also: Was habe ich u. a. als Musikwissenschaftler, der Musik zu analysieren gelernt hat, nicht verstanden? Vielleicht kann mich jemand fachlich fundiert aufklären.
MS