Am 15. August feiert der Freisinger Dom sein Patrozinium, Mariä Himmelfahrt. Der Dom ist schon eine Viertelstunde vor Messbeginn bis auf den letzten Platz gefüllt, auch aus den benachbarten Städten und Gemeinden sind viele Leute da, trotz Ferienzeit.
Festmesse von Mozart, großes Orchester und der Domchor mit Solisten. Der Rektor der Domkirche in einer reichbestickten alten Kasel aus der Domsakristei und zwei Diakone in historischer Dalmatik, passend zum Messgewand des Zelebranten. Feierlicher Einzug. Der barocke Asam-Dom, illuminiert durch die Sommersonne, leuchtet in seiner ganzen ornamentalen Pracht, die Orgel jauchzt, Kerzen flackern auf großen historischen Ständern rund um den Altar. Großes Ministranten-Ballett, Weihrauch geschwängert das Kirchenschiff, Kräuterbuschen in der Hand der Gläubigen. Der Priester lebt die Liturgie, weit ausholend die Arme, kräftig die Stimme, die Hände fromm gefaltet beim Gebet. Die ganz große Inszenierung. Ein Fest. Katholische Kirche! Kirche?
Tags zuvor, am 14. August, haben wir meine Mutter beerdigt. Sie war fast 93 Jahre alt. Wegen ihrer Demenz wurde sie die letzten dreieinhalb Jahre in einem Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern liebevoll versorgt. Der Orden hat seit mehr als zwei Jahrzehnten keine Novizin mehr, die allermeisten Klosterfrauen sind in einem Alter, in denen man längst die Rente genießt.
Die Pflegekräfte auf der Station mit 26 dementen Frauen und Männern kommen aus Bosnien, Kroatien, Ungarn, Peru, Brasilien, verschiedenen Ländern Afrikas, aus der Türkei, aus Nepal, aus Indien. Vier Deutsche sind auch dabei. Es sind weltliche Pflegekräfte. Schichtdienst. Sie machen alle einen Knochenjob. Es ist schwer, die hilfebedürftigen oder auch hilflosen Menschen an- und auszukleiden, sie auf die Toilette zu bringen, sie zu füttern, sie zu waschen, sie in den Rollstuhl oder ins Bett zu hieven. Und es ist noch schwerer, mit den Aggressionen umzugehen, die sich aus der Hilflosigkeit und Verwirrtheit der Menschen entwickeln, deren Gehirn nicht mehr funktioniert.
Katholisches Alten- und Pflegeheim?! Träger ist der Orden, aber die Pflege machen nicht die Ordensfrauen, sondern weltliche Kräfte. Nicht nur katholische. „Wir können es uns schon lange nicht mehr leisten, auf das Glaubensbekenntnis unserer Mitarbeiter in der Pflege zu schauen“, sagt die Oberin. „Wir schauen auf die Qualität.“ Der Orden bezahlt übertariflich, er bietet günstige Mietwohnungen für das Personal an – und hat dennoch immer wieder Probleme, Pflegekräfte zu finden. Auch die Fluktuation ist hoch, die Arbeit ist für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Dauer zu belastend.
Meine Mutter wurde dreieinhalb Jahre lang im Heim liebevoll umsorgt. Auch in ihren letzten Tagen. Sie und auch wir wurden bei ihrem Sterben nicht allein gelassen. Ihr Loslassen und unsere Begleitung dabei wurden deswegen leichter. Katholisches Pflegeheim? Ich weiß nicht, welches Gebetbuch die Betreuerinnen haben, die die letzten Stunden bei meiner Mutter waren. Sie haben ihren Dienst liebevoll und einfühlsam gemacht. Kirche? Kirche der Gegenwart!
EL