Das Hochwasser vom Sommer 2013 steckt noch vielen Menschen in den Knochen, obwohl die Schäden mit Millionenaufwand inzwischen weitestgehend beseitigt sind. Doch schon beim Thema Vorbeugung vor ähnlichen Vorkommnissen zeigt sich das sprichwörtliche St. Floriansprinzip: ja, schon – aber nicht bei uns oder mir vor der Haustür! Ganz gleich ob es neue Flutpolder, die Rückverlegung von Deichen oder andere Maßnahmen innerorts oder im Bereich besiedelter Flächen in Stadt und auf dem Land sind, der oft kurzfristige Eigennutz verdrängt schnell die vorherigen Ängste um Haus und Hof.
Wenn wir die viel beschworene Resilienz gegenüber Extremwetterereignissen steigern wollen, sind einschneidende Handlungen gefragt. Denn jahrzehntelang haben wir Flächen bedenkenlos versiegelt. In bayerischen Ortschaften mit ihren üppigen Verkehrsflächen sind rund 45 % der Fläche versiegelt. Und in ländlichen Regionen verdrängen Verkehrs-, neue Siedlungs-, Gewerbe- und Industrieflächen immer mehr auch etwa für die Landwirtschaft unersetzliche Produktionsstandorte oder letzte Reste naturnaher Bereiche. Wir meinen, unsere Umwelt kostenlos nutzen zu können. Doch es handelt sich um die Mitwelt, deren Teil wir als Gast sind. So sägen wir kräftig auf dem Ast, auf dem wir sitzen.
Was ist also die Aufgabe? Kommunen suchen jetzt händeringend Spezialisten für Schwammstädte und -dörfer. Erste zum Teil geförderte Mustersiedlungen entstehen. Was unterscheidet sie vom bisherigen Durchschnittsbaugebieten? Der Wasserrückhalt fängt bei begrünten Dächern an, die in der warmen Jahreszeit den von entsprechenden Pflanzen und dem Substrat aufgefangenen Regen zur natürlichen Kühlung nutzen – am optimalsten unter PV-Modulen. Die Flächenversieglung ist auf ein Mindestmaß beschränkt und die Bodenbeläge haben einen hohen Fugenanteil oder sind zusätzlich versickerungsfreundlich. Zisternen und Rigolen halten das überschüssige Wasser zurück, das bei Trockenheit zur Bewässerung zur Verfügung steht. Entwässerungsgräben – oder -wälle im hängigen Gelände – halten das Niederschlagswasser ebenfalls zurück. Das Amt für Ländliche Entwicklung hat mit dem Projekt „boden:ständig“ wirksame und wissenschaftlich begleitete Bausteine für eine zukunftsgerichtete Bodenbewirtschaftung entwickelt. So soll das Niederschlagswasser möglichst früh auf den Flächen zurückgehalten werden, bevor es ungebremst in Siedlungsgebieten große Schäden anrichten und wertvolle Humusschichten abtragen kann. Auf der Homepage https://www.boden-staendig.eu/ueber-uns gibt es auch eine interaktive Karte, mit der amn sich über die vielen Initiativen informieren kann.
In Städten geht es u.a. darum, durch kreative Mehrfachnutzung der knappen und umkämpften Flächen gegenüber extremen Wetterschwankungen abzupuffern und zu kühlen. Eine stärkere Begrünung der kahlen und tristen Innerortsbereiche ist das Gebot der Stunde. Jeder neu gepflanzte Baum mit ausreichenden Wurzelraum für sein langfristig gesichertes Wachstum hilft. Fachleute sowie Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten können unter den Schlagworten „Grüne“ und „Blaue“ Infrastruktur in Zusammenarbeit mit weiteren Fachdisziplinen, aufgeschlossenen Verwaltungen und Entscheidungsträgern in Kommunalparlamenten dafür sorgen, etwa das Klima, die Luft und Versickerung in Dörfen und Städten zu verbessern. Und nicht nur das, vielleicht werden dadurch am Ende unsere Orte sogar schöner und lebenswerter.
Helmut Wartner
Luftbild: Klaus Leidorf