Die Bauindustrie ist – je nach Berechnung – für 40-60 % aller klimaschädlichen C0²-Gase verantwortlich und damit weltweit Treiberin des Klimawandels. Um den Bedarf an rund 700.000 Wohnungen in Bayern bis zum Jahr 2030 klimagerechter zu befriedigen, geht es nun vermehrt um Sanierungen, Umbau oder Ergänzungen zum vorhandenen Baubestand. Dafür stehen jetzt schon kalt gepresste Ziegel aus recyceltem Ziegelschutt, industriell vorproduzierte Lehmbauplatten, Stampflehmwände, Holz-Lehm-Hybriddecken oder ein neues Heizsystem mit einer „Papierheizung“ unter flachen Estrichziegeln als kostengünstigere Alternative zur Wärmepumpe zur Verfügung. Für viele Architektinnen und Architekten, aber auch (Um-)Bauwillige sind das positive Neuigkeiten.
Es gibt also schon jetzt Lehmbausysteme, mit denen sich ökologisch und nachhaltig bauen und sanieren lässt im Sinne einer ressourcensparenden Kreislaufwirtschaft, die ja schon Jahrtausende vorher weltweit üblich war – mangels anderweitiger Alternativen. Lehm ist ein gesunder Baustoff mit feuchtigkeitsregulierender Wirkung, die Schimmelbildung verhindert. Er ist eine ideale Ergänzung zum modernen Holzbau oder zu Renovierungsarbeiten im Bestand. Lehm neutralisiert Luftschadstoffe und Gerüche, reduziert das Beschlagen von Fensterscheiben, bietet durch seine hohe Rohdichte besten Schallschutz. Er kühlt im Sommer und speichert im Winter optimal die Wärme. Die früher sehr hohen Brennkosten wegen der Brenntemperaturen über 1.000 Grad sind bei kalt verarbeiteten Trockenbau-Fertigprodukten zu vernachlässigen. Lehm hat eben überhaupt keine Brennkosten oder Brenntemperaturen, solange er nicht zu Ziegel gebrannt wird. Im Stile der römischen Hypokaustenheizungen lassen sich heute wasser- oder elektrisch geführte Systeme mit Lehm einbauen, Lehmputze ohne Spezialfirmen auch von den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern selber verarbeiten. Für individuelle Farbgestaltungen stehen auf Basis natürlicher Tonfarben Lehme und Edelputze zur Verfügung.
Etwas völlig Neues sind keramische Estrichziegel mit Heizpapier, die sich mit einer sehr geringen Aufbauhöhe unter 2 cm mit selbst produzierter Solarenergie als Fußbodenheizung betreiben lassen. Im Vergleich zu konventionellen, wassergeführten Systemen hat dieses Verfahren eine schnelle Reaktionszeit, es ist nicht so träge und langsam und lässt sich auch für Decken und Wände auf beliebigen Untergründen im umgenutzten Altbau verwenden. Weltweit bestehen rund ¾ aller Bauten aus Lehm – schön, dass es jetzt für die anstehenden Themen in Zeichen des Klimawandels moderne Baustoffe auf Basis des alten Wissens in industrieller Fertigung und Kombination mit regenerativer Energieerzeugung zur Verfügung stehen.
Helmut Wartner
Foto: Markus Stenger