Eine ältere Dame bestellt freundlich und zielstrebig: „…noch zwei Roggenschuberl.“ Die knappe Antwort der Bäckereifachverkäuferin kommt leicht schnippisch, aber bestimmt über die Verkaufstheke: „Schuberl – sowas ham’wa nich!“ Schweigen und Verwirrung. Eine niederbayerische Filiale einer niederbayerischen Bäckereikette ohne Roggenschuberl, denkt man und wundert sich. Was sonst sollte man zu einer deftigen sommerlichen Brotzeit wählen? Was passt so gut zu Bier, Geräuchertem und Erdäpfelkas wie eine resche kümmelgewürzte Semmel aus dunklem Mehl? Die Kundin wagt einen zweiten Anlauf und versucht eine zaghafte Erklärung: „Ja, so länglich, aus Roggen…“ Diesmal kurzes nachdenkliches Schweigen auf der andere Seite, dann weist die Verkäuferin mit belehrend erhobenem Zeigefinger auf einen Korb in der Auslage: „Ach ja, Sie meinen wohl diese Brötchen hier.“
„Nein, Werteste, die Dame meint die Schuberl!“, möchte man am liebsten einwerfen, weil Brötchen eben nicht gleich Brötchen ist. Zwar mag die sprachliche Verkleinerungsform von Brot als universeller Ausdruck für Kleingebäck aller Art gelten. Der Vielfalt nationaler und regionaler Brot- und Backkultur kann diese Bezeichnung sicher nicht gerecht werden.
Nicht nur, dass das „Schuberl“ dem bairisch sprechenden Alltagsmenschen viel leichter und geschmeidiger über die Lippen kommt als ein hart klingendes, konsonantenlastiges „Brötchen“ – auch andere Sinne und Assoziationen werden geweckt. Während das norddeutsche Brötchen zunächst von beliebiger Form, rund oder eckig sein kann, ist das Schuberl gewohnheitsgemäß länglich, oft mit deutlichem Längsschnitt oder zum Pärchen verbunden. Als Roggenschuberl ist es deutlich dunkler, würziger und rescher gebacken als eine normale Semmel, die – vom lat. similia für fein gemahlenes Weizenmehl abgeleitet – nichts anderes als die süddeutsche Variante eines schlichten Brötchens meint.
Letztlich ist die Geschichte gut ausgegangen. Die Kundin hat das gewünschte Gebäck mit nach Hause gebracht, die Bäckereifachverkäuferin etwas dazu gelernt. Man mag ihr wünschen, dass der Nächste nicht „…zwoa Maurerloawe“ bestellt.
Mit diesem Exempel soll mitnichten einem krachledernen Bayern-Patriotismus das Wort geredet werden. Vielmehr ist es ein Plädoyer für mehr Offenheit und Vielfalt an der Bäckereitheke und im alltäglichen Umgang miteinander!
Christine Lorenz-Lossin