Der längste Straßenname Deutschlands ist in Dingolfing zu Hause: Das ist die „Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße“. Dafür, dass sie so einen langen Namen hat, ist die Straße eigentlich recht kurz: einige hundert Meter nur. Weil „Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße“ für ein Straßenschild einfach zu lang ist, hat man den Namen etwas abgekürzt, nämlich: BGR-Josef-Zinnbauer-Straße. „Warum nur denkt man sich so einen langen Straßennamen aus?“, könnte man fragen. Und wie viele haben nicht schon Witze über die 50 Zeichen der Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße gemacht? Aber heute machen wir uns nicht darüber lustig, sondern fragen uns: Wer steckt hinter diese Straße? Wer war Josef Zinnbauer eigentlich? Und: Was ist überhaupt ein BGR, ein Bischöflich Geistlicher Rat?
Fangen wir ganz von vorn an: Früher hieß die Straße ganz einfach „Kirchgasse“. 1981 hat die „Schulstraße“, die Fortsetzung der „Kirchgasse“, einen neuen Namen bekommen. Aus der „Schulstraße“ wurde die „Dr.-Josef-Hastreiter-Straße“. Auch nicht gerade kurz. Aber nicht darüber waren damals die Anwohner erbost, sondern einfach deswegen, weil die Änderung eines Straßennamens immer sehr lästig ist, weil das ja dann auch in allen Dokumenten geändert werden muss. Und weil man anscheinend schon beim Umbenennen war, hat man die Kirchgasse auch gleich umbenannt; nämlich in, wie wir wissen, Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße. Wahrscheinlich war es ein Tauschhandel im Gemeinderat: „Dr.-Josef-Hastreiter-Straße“ gegen Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße.
Jetzt aber endlich zu Josef Zinnbauer! Geboren ist er am 3. April 1887 in Glashütte im Kreis Burglengenfeld; heute Gemeinde Katzdorf im Landkreis Schwandorf. Der älteste Sohn eines Streckenwärters kommt nach der Volksschule nach Regensburg, macht dort das Abitur und studiert Philosophie und Theologie. Zum Priester wird er im Juli 1912 geweiht. Seine ersten Stationen als Kooperator, heute würde man dazu Kaplan sagen, sind die Stadt Weiden, Hemau und dann 1920 Dingolfing. Der junge Kaplan stürzt sich in das Leben des damals kleinen Orts, in dem damals gerade mal 4000 Menschen wohnen: Er macht im Theaterverein, in der Liedertafel und in vielen anderen Vereinen mit, ist Chorregent des Kirchenchors und Vorsitzender des katholischen Gesellen- und Lehrlingsvereins. 1923 gründete er die Vereinslichtspiele, über 30 Jahre lang das einzige Dingolfinger Kino. Zinnbauer hat den Ort ins Herz geschlossen und die Menschen ihn. Aber 1934, als er zum Pfarrer ernannt wird, muss er Dingolfing verlassen. Er kommt in den Bayerischen Wald nach Walderbach, 1937 nach Wolnzach und 1945 zurück nach Dingolfing. In der Nachkriegszeit setzt er sich dafür ein, dass die vielen Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben. Außerdem richtet er eine ambulante Krankenpflege und eine Nähstube für Mädchen ohne Lehrstelle ein und kümmert sich um Ersatz für die im Krieg eingeschmolzenen Glocken. Damit nicht genug: Im neuen Stadtteil Höll links der Isar setzt er sich für den Bau einer neuen Kirche ein, die Kirche St. Josef. Schon 1956 ist die Kirche fertig. Für sein Engagement wird er 1953 schließlich zum Bischöflich Geistlicher Rat ernannt. Womit wir beim Bischöflich Geistlicher Rat wären. Was ist das? Bischöflich Geistlicher Rat ist ein Ehrentitel, den ein Bischof für besondere Verdienste verleihen kann.
Zurück zu Josef Zinnbauer! Noch viele Jahre ist er in Dingolfing als Pfarrer aktiv, bis er 1970 mit 83 Jahren in Ruhestand geht. Drei Jahre später, am Karsamstag 1973, stirbt er. Für Dingolfing war Josef Zinnbauer in der Nachkriegszeit ein integrativer, die immer weiter wachsende Stadt, prägender Menschen. Deshalb ist auch, keine zehn Jahre nach seinem Tod, die Kirchgasse in die in ganz Deutschland bekannte Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße umbenannt worden.
Christoph Goldstein