Zum öffentlichen Raum haben heute hierzulande alle gleichberechtigt und uneingeschränkt Zugang. Er ist im Idealfall ein Ort, in dem sich die Menschen frei und friedlich begegnen. Als älteste und wohl mustergültigste Beispiele wären die Marktplätze zu nennen. Doch „Bewegungsfreiheit“ war lange Zeit etwas Exklusives und für Bevölkerungsgruppen wie Sklaven keine Selbstverständlichkeit.
Die Industrialisierung änderte die europäischen Gesellschaften und Städte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts grundlegend. Damit wandelt sich auch der Umgang mit dem öffentlichen Raum. Während sich das Großbürgertum in seinen luxuriösen Palais und Salons privilegierte Räume abseits vom Rest der Bevölkerung schafft, erschließen sich die in dicht besiedelten Quartieren lebenden Arbeiter aus der Not der beengten Wohnverhältnisse heraus ihre nähere Umgebung als Aufenthaltsort. Das Bürgertum zieht sich indes als Reaktion auf die als laut und chaotisch empfundene Städte in die familiäre Privatsphäre zurück.
Der schwelende Nationalismus in ganz Europa bestärkt die Herrschenden in dieser Zeit darin, die eigene Überlegenheit samt Machtanspruch im öffentlichen Raum der Städte zu repräsentieren und so zu unterstreichen. Dies schlägt sich in zahlreichen Monumenten, Prestigebauten, Amtssitzen, Museen oder Universitäten nieder, die prominente Plätze in den Städten einnehmen. Ihre repräsentativen Fassaden zeigen sich z. B. aufwändig mit Ornamenten geschmückt. Nach Ende des Ersten Weltkriegs hält die Verfassung der Weimarer Republik fest, dass der Staat Anteil an der „Pflege“ der Kunst nimmt. 1928 spricht die Regierung eine Empfehlung an die Länder aus, bei öffentlichen Bauvorhaben Künstler zu beteiligen. Diese Form der Förderung, die heute unter Kunst am Bau bekannt ist, dient während der Herrschaft der Nationalsozialisten der ideologischen Instrumentalisierung.
An der Förderpraxis stößt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vielen sauer auf, dass städtische Bauverwaltungen – und nicht Kunstsachverständige – über Kunst entscheiden. Zudem wird kritisiert, dass die Kunst unumgänglich an die Architektur gebunden ist und somit lediglich als deren Ergänzung oder Beiwerk fungiert. In der Folge setzt ein Umdenken ein, das sich auch sprachlich niederschlägt: Es wird nun verstärkt von Kunst im öffentlichen Raum gesprochen. Auch in der Förderpraxis wird die Kritik aufgegriffen und die Unabhängigkeit der Kunst gestärkt. Seit Mitte der 1970er Jahre setzt es sich allmählich durch, dass Kunst im öffentlichen Raum unabhängig von Neubauten gefördert wird.
Das heutige Erscheinungsbild der Städte ist maßgeblich geprägt von der Vielzahl an Kunstwerken, die im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte entstanden sind. Diese Werke sind es wert, niederbayernweit erfasst zu werden. Deshalb dokumentiert das Kulturreferat auf seiner Homepage www.kunst-niederbayern.de die Informationen, die Kunstwerken im öffentlichen Raum – im Gegensatz zu solchen in Museen – in der Regel nicht beigegeben sind. Damit laden wir dazu ein, die direkte – und auch die weiter entfernte – Umgebung neu zu entdecken.
LS