Angler Sattelschwein, Deutsches Cornwallschwein, Baldinger Tigerschwein, Bentheimer Landschwein, Hängebauch- und Wollschwein – eine nahezu unüberschaubare Anzahl von Schweinerassen hat die Züchtung in den vergangenen 200 Jahren weltweit hervorgebracht. Doch wer von uns hat schon die große tierische Verwandtschaft des gemeinen Hausschweins im Blick, wenn selbiges als Sonntagsbraten mit rescher Schwarte und einer anständigen Portion Knödel und Krautsalat auf dem Teller liegt?

Wie grausig Meldungen und Berichte über Gammelfleisch, Massentierhaltung und Genmanipulation auch sein mögen, der Bayer und insbesondere der Niederbayer zeigt sich diesbezüglich relativ unbeeindruckt. Er bleibt dem Schwein – oder auf gut bayrisch der Sau – zumindest kulinarisch treu, besser gesagt: Er hat sie zum Fressen gern. Ob Schweinsbraten (wohlgemerkt mit Fugen-S, Schweinebraten gibt es nur nördlich des Weißwurstäquators), Bratwurst oder Schnitzel, das gemeine Hausschwein lässt sich in zahlreichen schmackhaften Varianten im wahrsten Sinne des Wortes ausschlachten. Schon in den mageren 1920er Jahren wurde diese Tatsache begeistert besungen – wie ein im Volkskulturarchiv des Bezirks zu findender Text aus Schönberg im Bayerischen Wald belegt: „Das Schwein ist äußerst nahrhaft, das ist für uns ein Glück! Wenn man es fleißig füttert, wird’s wuzelfett und dick. Man macht die besten Würste aus seinem edlen Blut, und kriegt den besten Schinken, wenn man es selchen tut.

Manch einer mag sich dabei vielleicht an seine Kindheit zurück erinnern, in der das meist vorweihnachtliche Saustechen noch zum Alltag auf den Dörfern und Einödhöfen gehörte. Denn während man im Oberland vornehmlich Weidewirtschaft  betrieb, hatte man sich im Unterland schon vor Langem auf Ackerbau und Schweinemast spezialisiert. Die Erfolgsgeschichte der niederbayerischen Landwirtschaft ist im sogenannten Schweinegürtel vom Rottal bis in die Hallertau eng mit dem rosigen Borstentier verbunden. Neben den Hopfen- und Körndlbauern bilden die ‚Saubauern’ die dritte Säule des landwirtschaftlich geprägten Regierungsbezirks. Trotz dieser tragenden Rolle gilt die Bezeichnung ‚Saubauer’ vielen auch als böse Beschimpfung, was daran liegen mag, dass man Schweinemastbetriebe seltener sehen oder hören als vielmehr oft schon von weitem riechen kann. Vielleicht hat hier aber auch die Regionalgeschichte ihre Spuren hinterlassen, die immer wieder von Rivalitäten zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern berichtet. So ist in der „Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern“ von 1860 zu lesen: „Nicht selten stehen ganze Dorfschaften ihren Nachbargemeinden im Kampfe gegenüber, man organisiert sich förmlich im Raufen; im Rotthale bestanden vor drei Jahrzehnten in den „Wiazenen“ und den „Schweinernen“ erbitterte Raufgesellschaften.

Das Schwein polarisiert – in Fragen der Tierhaltung und Fleischproduktion genauso wie im übertragenen Sinne. Kaum ein Tier taucht im Sprachgebrauch so häufig und so vielfältig bildhaft verwendet auf wie die Sau. Wenn der Schweinsbraten saugut war, stört uns weder das Sauwetter noch der saugrantige Tischnachbar. Eher schon die Saupreußen, die einem manchmal gar so saufreundlich daher kommen.

Dass der Kulturpreis des Bezirks Niederbayern 2018 an einen Schweinezüchter geht, der dennoch kein Saubauer ist und sein will, mag manchen verwundern. Doch wer sich vor Augen hält, dass Kultur eben nicht nur die edlen schönen Dinge wie Musik, Kunst und Literatur meint, sondern mindestens ebenso sehr Bodenständiges und Erdverwurzeltes wie Ackerbau und Viehzucht, der kommt an der Sau nicht vorbei. Ob er dies nun saublöd, saufrech, saukomisch oder saustark findet – das Borstentier juckt’s nicht.

CLL