Wenn eine Form der Kultur, die aus dem ‚Volk‘ oder der ‚Heimat‘ kommt, abgewertet wird, geschieht dies auffallend oft anhand des Kitschbegriffs. Es handelt sich dabei um einen Begriff, zu dem den meisten Menschen spontan ein Beispiel einfällt, weil er allgemein einfach das Gegenteil von Kunst bezeichnet und somit ausgehend vom eigenen Kunstgeschmack geäußert werden kann. Darüber hinaus fällt es den Befragten meist schwer, eine eindeutige Definition des Begriffs zu geben. Oftmals werden dann verschiedene negative Charakteristika aufgelistet, die nicht unbedingt in direkter Beziehung zueinander stehen. Es kann, um mit Henryk M. Broder zu sprechen, der Eindruck entstehen, dass „Kitsch die Griffigkeit einer Qualle, die Spannweite eines Regenbogens und die Eindeutigkeit eines Horoskop-Spruches“ hat.
Doch ganz aussichtslos ist die Lage nicht, da man mit dem Unoriginellen, dem Unwahren und der übertriebenen Sentimentalität Hauptmerkmale benennen kann, die in vielen Kitsch-konzeptionen wichtig sind. Ausgehend von ihnen lässt sich zur Ausgangsfrage zurückkehren. Der Volkskunst wird im Allgemeinen zugeschrieben, besonders wahrer Ausdruck alltäglicher Kultur zu sein. Gibt ein Werk vor, so zu sein wie ein anderes, ohne dessen kulturgeschichtlichen Entstehungsbedingungen zu teilen, liegt die Bewertung als Kitsch nahe. Der zeitweise angestrebte Neubau der „Burg Rothberg“, der die Burgen des Mittelalters nachahmen sollte‚ hätte sich beispielsweise nur dann vom Kitschvorwurf freisprechen können, wenn er sein Unechtsein eindeutig herausgestellt hätte. Für besondere Empörung hatte der Umstand gesorgt, dass dieser Imitation zudem noch eine handfeste Gewinnabsicht zu Grunde lag. Im Falle der Volkskunst ist die Empörung gegenüber der Imitation meist deshalb besonders groß, weil das Imitierte vermeintlich besonders wahr ist.
Neben den Merkmalen des Unoriginellen und Unwahren begünstigt die unumstößliche Verbindung, die Volkskunst zur Heimat – und damit zu einem oftmals sehr emotionalen Thema – hat, das Äußern der Kitschbewertung. Weint zum Beispiel jemand beim Ansehen eines Heimatfilms oder beim Anhören eines Volksmusikstücks hemmungslos, so macht er sich verdächtig, selbst dem Kitsch nahe zu stehen. Hieran zeigt sich deutlich, dass der wertende Begriff also nicht nur auf die Kunstschaffenden, sondern eben auch auf deren Publikum abzielen kann. Insofern weist er vielerlei Anknüpfungspunkte zum Umgang mit Volkskunst auf. Ausgehend von den aufgezeigten Verbindungslinien lässt sich also schon sagen, dass die Häufigkeit, in der der Kitschbegriff im Kontext der Volkskunst genutzt wird, nicht nur Zufall ist und mit der inhaltlichen Beschaffenheit der Volkskunst oft einhergeht.
LS