Alte Häuser erzählen Geschichten; und sie sind selbst Teil der Geschichte. Nicht selten handelt es sich bei solchen Gebäuden um Baudenkmäler. Das heißt, sie sind laut Denkmalschutzgesetz u. a. wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder volkskundlichen Bedeutung erhaltenswert. Diese Aussage, vor allem ihre Umsetzung, nämlich die Erhaltung, ist entscheidend.
Vielen Menschen fehlt beim Anblick meist verlassener und heruntergekommener Häuser zunächst einmal jegliches Verständnis für deren Wert. Sie erscheinen als wertlose Bruchbuden, reif für die Abrissbirne. Also bedarf es Personen, die in Gemäuern und Gebälk zu lesen verstehen wie in Büchern, die den historischen Wert erkennen und zur Instandsetzung solcher Häuser bereit sind. In der Regel werden dann aus vielgescholtenen Schandflecken vielbestaunte Vorzeigeobjekte, deren materieller Wert den in Fläche und Kubatur vergleichbaren Neubauten nicht nachsteht.
Das alte Schießl-Haus in Kollnburg im Landkreis Regen hat einen solchen Wandel erlebt. 1767 wurde es als erdgeschossiges Anwesen auf einer kleinen Anhöhe erbaut. Lediglich der in den Hang hineingebaute hintere Gebäudeteil und der Platz um die „Ruaßkuchl“ herum waren gemauert: Stube, Kammer und Kniestock hatte man vollständig in Blockbauweise gezimmert. Nach 1803 wurden die Holzbaukonstruktion durch Außenmauern und Innenwände aus Bruchstein ersetzt und etwas später mit einem Obergeschoss in Blockbauweise aufgestockt. Die Stube erhielt erst in den 1960er Jahren ihre Ausmauerung.
Aus einen Liquidationsprotokoll, das 1838 zur Ermittlung der Grundsteuer im königlichen Rentamt zu Viechtach angefertigt wurde, kennt man den einstigen Eigentümer, seinen Stand und Besitz. Das Anwesen gehörte damals dem Weber Georg Schießl. Im Protokoll aufgeführt ist ein „1/16 Maurergütl“ bestehend aus Wohnhaus, Stall, Stadl, Backofen und Hofraum. Dazu gehören zwei kleine „Wurzgärtl“ im direkten Umgriff und ein kleiner Acker etwas außerhalb des Orts. Es handelt sich also um ein ehemaliges Handwerker-Anwesen, gerade groß genug zur Deckung eines bescheidenen Eigenbedarfs.
1991 starb die letzte Bewohnerin aus der Schießl-Linie, die 200 Jahre lang auf dem Anwesen war. Zwei Jahrzehnte stand das Haus leer. Niemand wollte es haben. Vernachlässigt und schadhaft wie unbeachtete Denkmäler häufig sind, sollte es schließlich abgerissen werden. Kurzentschlossen kaufte der Künstler Thomas Niggl das Anwesen und entwickelte zusammen mit seinem Architekten ein Nutzungskonzept. Nach einer fachgerechten, substanzschonenden Instandsetzung gibt es in Kollnburg jetzt ein „Kleines Haus der Kunst“ – weil Besitzer und Architekt die Qualität des Gebäudes erkannten. Sie haben in der Bausubstanz gelesen wie aus einem Buch. Deswegen kann heute die Geschichte des Schießl-Hauses erzählt werden, die dank seiner beherzten Rettung noch lange nicht zu Ende geschrieben ist.
MS