Eine seltene jungsteinzeitliche Bestattung bei Eichendorf, eine bajuwarische Prinzessin bei Bad Füssing, eine keltische Situla von Irlbach oder ein bajuwarischer Reiterkrieger von Bayerbach bei Ergoldsbach – das sind nur einige der archäologischen Entdeckungen der vergangenen Jahre in Niederbayern. Sie stehen beispielhaft für eine Vielzahl von Funden die bei archäologischen Ausgrabungen in nahezu allen Gemeinden des Bezirks geborgen werden. Wie aber kommt es zu dieser reichen Geschichte des bayerischen Unterlandes, dieser fast schon unglaublichen Häufung bedeutender archäologischen Fundstellen? Und wann fanden eigentlich die ersten archäologischen Ausgrabungen in Niederbayern statt?
Im Vergleich aller sieben bayerischen Regierungsbezirke fanden die Menschen der Vorgeschichte in Niederbayern die besten Lebensbedingungen. Viel mehr als dies heute der Fall ist, waren unsere Vorfahren zum Leben und Überleben auf die naturräumlichen Grundlagen ihrer Heimat angewiesen. Als Jäger und Sammler suchten sie, dem Jagdwild auf seinen jährlichen Wanderungen folgend, gerne Schutz unter Felsdächern und in Höhlen. Als Ackerbauern und Viehzüchter benötigten sie gute, fruchtbare Böden und auch in trockenen Jahren ausreichend Niederschlag. Während die Jäger und Sammler der Eiszeit im Altmühltal fündig wurden, errichteten Jahrtausende später die ersten Bauern Mitteleuropas die ältesten Dörfer Bayerns auf den ertragreichen Böden des Gäubodens und des niederbayerischen Hügellandes.
Im gemäßigten Klima Niederbayerns gediehen nicht nur Emmer, Einkorn und Dinkel prächtig. Die Gegend bot ihren Bewohnern auch Anschluss an die Fern- und Handelswege der Vorgeschichte, die Flüsse: Altmühl, Laber, Isar, Vils und Rott erschließen das Niederbayerische Hinterland und verbinden es mit der wichtigsten Ost-West-Achse zu jenen Zeiten, der Donau. Über sie erhielten die Bewohner Niederbayerns Kontakt zu den archäologischen Kulturen des Südostens und Westens und damit zu Innovationen wie dem Rad, der Metallverarbeitung und vielem mehr. Diese reiche Vergangenheit Niederbayerns blieb lange im Dunkel. Erst im 19. Jahrhundert begannen die ersten Pioniere der Archäologie – Lehrer, Pfarrer, Militärs und Adelige – mit Ausgrabungen in Niederbayern. Ihren frühen Entdeckungen ist es geschuldet, dass zahlreiche archäologische Kulturstufen heute den Namen niederbayerischer Orte tragen. So z.B. die jungsteinzeitliche Altheimer Kultur (Altheim Gem. Essenbach, Lkr. Landshut), die Münchshöfener Kultur (Münchshöfen, Gem. Oberschneiding, Lkr. Straubing-Bogen) oder die Gruppe Oberlauterbach (Oberlauterbauch, Gem. Rottenburg a.d. Laaber, Lkr. Landshut). Welch reiche Geschichte in den Böden des bayerischen Unterlandes schlummert, zeigte sich im vollen Ausmaß ab den 1970er Jahren.
Damals bereiteten zahlreiche Großprojekte dem einst landwirtschaftlich geprägten Niederbayern den Weg zur heutigen prosperierenden Rregion. Eines dieser Projekte war der Bau der Bundesautobahn A92 von München nach Deggendorf. Luftbilder zeigten, dass in der vorgesehenen Autobahntrasse eine Vielzahl archäologischer Fundstellen zu finden sein wird. Daher begannen die Archäologen bereits vor Beginn des Baus, die Trasse zu untersuchen. Im Rahmen dieser Untersuchungen entdeckten sie zahllose Fundstellen vom Steinzeitdorf bis zum römischen Friedhof. Spätestens seit diesen Grabungen wissen wir, dass das fruchtbare Niederbayern ab dem 6. Jahrtausend vor Christus zu den kulturellen Zentren Mitteleuropas gehörte.
Thomas Richter