Eigentlich kommt Gunther aus Thüringen. Dort ist er im Jahr 955 geboren. Die ersten 50 Jahre seines Lebens war er ein wichtiger Adeliger. Dann hat er ein zweites Leben angefangen. Eines Tages klopfte er an die Pforten des Klosters Niederaltaich.
Was ihn wohl dorthin verschlagen hat? Man sagt, es gab da eine unglückliche Liebesgeschichte mit einer hübschen Prinzessin. Manch andere erzählen auch, Gunther hätte seinen eigenen Bruder umgebracht und sei daraufhin ins Kloster gegangen.
Wie dem auch sei, Gunther hatte genug von der stressigen Welt. Er wollte seine Ruhe. Sogar das Kloster war ihm zu viel. Er hat sich in den tiefsten Wald bei Rinchnach in eine kleine Einsiedelei zurückgezogen. Dort hat ihn ein grimmiger Winter überrascht; ein Winter, wie er im Bayerischen Wald eben so üblich ist. Er war so eingeschneit, dass für seine Mitbrüder kein Durchkommen war. Nicht eine Scheibe Brot vermochten sie ihm zu bringen. Mit einigen ärmlichen Gräsern und Kräutern, die er unter dem Schnee fand und hinunterwürgte, konnte er gerade so überleben. In diesen Stunden fiel es Gunther wie Schuppen von den Augen, in welchem Saus und Braus er vorher gelebt hatte: die köstlichsten Speisen, Brot, Wild, Süßigkeiten, und, und, und. Von da an war er auch für die einfachste Speise aus tiefstem Herzen dankbar. Und heute? Wir werfen Nahrungsmittel einfach weg. Es sind ja genug da; und das, obwohl heute noch viele Menschen hungern. Vielleicht sollten wir, wenn wir das nächste Mal etwas wegwerfen an den Heiligen Gunter denken.
Dort, wo Gunther einst so gehungert hatte, errichteten die Menschen später erst eine Kapelle und später eine kleine Kirche. Noch heute steht sie da und erhebt sich über die sie umgebenden Hügel; ein wunderbares Ziel für Wanderer.
Gunther hielt es nicht im Bayerischen Wald. Viele Jahre durchstreifte er als Missionar Böhmen und Ungarn, bis ihn die große Politik wieder einholte. Drei Kaisern diente er als Berater und vermittelte im Konflikt zwischen Bayern und Böhmen, der nie zur Ruhe kam. Einmal musste er sogar, als das kaiserliche Heer in einer ungünstigen Lage war, schnellstens einen Waffenstillstand aushandeln.
Frieden war nicht in Sicht, so sehr er sich darum bemühte. Gunther war der großen Politik müde. Außer Verdruss hatte sie ihm nichts gebracht. Am Ende seines Lebens hat er sich noch weiter in den Wald zurückgezogen, fernab der großen Welt. In seiner böhmischen Einsiedelei in Gutwasser ist er 1045 im biblischen Alter von 90 Jahren gestorben.
Christoph Goldstein
Foto: Reinhold Ertl